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Dieser Beamte wird durch den Vorsteher des Ortes ernannt. Unter seiner Verwaltung steht der ganze Ort, wenn dieser wichtig genug ist, oder mehrere Weiler, die an demselben Wasserlaufe liegen. In dem Gebiete von Urmia ist der Verbrauch des Wassers bis zum Anfang des Monates Mai in das Belieben eines jeden gestellt; von da an aber bewässert der eine nach dem andern sein Land. Will einer außerhalb der Reihe sein Land bewässern, so verkauft ihm der Myr-Ab dieses Recht (d. h. für das überflüssige Wasser); dieser Verkauf darf aber nur gegen Vorzeigung einer vom Ortsvorsteher unterzeichneten Anweisung geschehen. Ohne Zweifel hängt auch bei einem solchen Geschäfte viel von der Übereinkunft ab. Zuweilen erwirbt auch ein ganzes Dorf von einem oberhalb gelegenen für eine bestimmte Zeit das Recht der Bewässerung.

In den Ortschaften mit gemischter Bevölkerung ist der Freitag, der Ruhetag der Mohammedaner, den Christen überlassen, während die Muselmanen am Sonntag ihr Land bewässern.

Das Land bringt viel schönes Gemüse hervor, und der elsässische Kohl würde neben dem von Urmia keine besondere Rolle spielen. Die ausgezeichneten Melonen werden in mehreren Arten gezogen. Eine der schmackhaftesten, der Germek, ist eine gelbe, die im Juni reif wird und sich bis zum Winter hält. Die Pasteke oder Kharpus (Wassermelone) erreicht zuweilen ein Gewicht von dreißig bis vierzig Pfund; sie reift im Sommer und hält sich das ganze Jahr hindurch. Der Geschmack ist nicht besonders angenehm, aber sie ist sehr erfrischend und gesund.

Der Schammam ist eine sehr kleine Melonenart, die zwar nicht eßbar ist, die aber wegen des köstlichen Wohlgeruchs halber angebaut wird. Ihr Name findet sich häufig in den persischen Dichtungen. Die Müßiggänger vertreiben sich die Zeit, indem sie den Duft des Schammams, der von einer Hand zur andern wandert, einatmen.

Gurken und Tomaten erreichen außerordentliche Größen. Mohn, Safran, Tabak, Baumwolle bilden wichtige Gegenstände für die Landwirtschaft. Das Öl wird hauptsächlich vom Wunderbaum, von Flachs und Raps gewonnen.

Das Getreide, das durch drei Arten vertreten ist, wird sehr schön. Hafer wird nicht angebaut, sondern durch Gerste ersetzt. Reis und Hirse spielen als Nahrungsmittel eine bedeutende Rolle.

Die Zucht der Seidenraupen ist für die Kultur des Maulbeerbaumes von großer Wichtigkeit geworden.

Platanen, Weiden, Pappeln, Mastixbäume (dieser besonders in dem Gebiet von Soldus), Mandelbäume und Kastanienbäume sind sehr verbreitet; aber keiner von diesen Bäumen wächst wild daselbst; dagegen findet sich die Galleiche wildwachsend in den Bergen.

Von Obstbäumen sind Aprikosenbäume, Granatbäume, Birnbäume, Apfelbäume, Quittenbäume, Pflaumenbäume und Pistazien nebst Brustbeerbäumen am meisten angepflanzt.

Urmia ist das klassische Land der getrockneten Weintrauben. In den Dörfern sahen wir überall ungeheure Mengen Weintrauben zum Trocknen aufgeschüttet. Die gewöhnlichen Weintrauben werden ohne besondere Umstände an der Sonne getrocknet. Aber für gewisse Arten tritt ein besonderes Verfahren ein, um denselben

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/115&oldid=- (Version vom 1.8.2018)