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man den Vorhof überschritten hat, bemerkt man als ersten Gegenstand den Diwan, Khan oder Empfangssalon (wörtlich: Gerichtsplatz; das Wort wurde früher für den Gerichtssaal der hohen Beamten gebraucht, ist jetzt aber im gewöhnlichen Leben sehr gebräuchlich). Vom Diwan aus gelangt man auf einen großen Hof, wo die Zimmer münden; dieser Hof dient den Seminaristen im Winter als Spielplatz, auch findet sich dort die allein liegende Klosterkapelle.

Im Hintergrunde des Hofes, mit der Front dem Eingange zu, liegt das Hauptgebäude der Mission, ein großes Gebäude in rechteckiger Form, bestehend aus einem Erdgeschoß und einem Stockwerk. Das Gebäude ist solid aus ungebrannten Ziegelsteinen erbaut, die zur größeren Sicherheit mit gebrannten Ziegelsteinen bekleidet sind. Alles ist einfach; die Zimmer sind gekälkt und die Möbel sehr bescheiden. Aber da die Mission alt ist, findet sich daselbst das Notwendige, und alles erscheint prächtig.

Hinter dem Hause breitet sich ein großer Küchengarten aus mit einem Spazierplatz, der durch kletternde Reben und Hopfen geschützt ist. Das Ganze macht einen gemütlichen und gastfreundlichen Eindruck.

Das Hauptwerk der Mission ist das Seminar. Fünfzehn bis zwanzig junge Leute vollenden dort ihre Studien, die sie in der Mission zu Urmia begonnen haben; diejenigen, welche geistlich werden wollen, machen auch daselbst ihre theologischen Studien.

Diese letzte Thätigkeit, die von der Gründung der Mission an betrieben wurde, ist sehr wichtig für die Zukunft der Mission, aber auch zugleich schwierig und undankbar. Den jungen Leuten fehlt meist die Ausdauer und sie lassen sich oft vor dem Ende ihrer Studien entmutigen. Seit der Gründung hat die Mission kaum zwanzig Priester geliefert. Dazu sind die Auslagen für den Haushalt der Mission sehr bedeutend, weil diese ihre Schüler ernähren und auch bekleiden muß.

Zur Seite des Seminars befindet sich auch eine Schule für die Knaben von Mosrawa; diese steht unter der Oberaufsicht der Missionare und wird von einigen Seminaristen und einigen Lehrern geleitet, die aus dem Dorfe herstammen.

Dem Anschein nach sind die Lazaristen Herr in Khosrawa; sie haben die Zivilisation dahin gebracht, und opfern sich mit dem größten Vergnügen für die Einwohner; der Einfluß der Lazaristen ist demnach nur ein gerechter Lohn für ihre Bemühungen.

Die Zahl der Missionare beträgt gewöhnlich vier oder fünf; sie werden durch drei chaldäische Priester unterstützt, die hauptsächlich die Pfarrseelsorge übernehmen.

Die Gebäulichkeiten der barmherzigen Schwestern münden auch auf den Platz der Kirche. Die Schwestern haben ein Waisenhaus, eine Kleinkinderbewahranstalt und eine Schule, wo alles unentgeltlich geschieht, und wo sie sich in ihrer gewohnten Weise aufopfern. Ihre Zahl beträgt sieben.

Wir besuchten sie gerade zu der Zeit, wo sie mit Brotbacken beschäftigt waren.

Der Backofen verdient eine eingehende Beschreibung, denn dieser oder der Tandur, wie er in der Sprache der Einheimischen genannt wird, ist der Mittelpunkt des gesamten häuslichen Lebens im Oriente. Er dient als Backofen, als Küchenherd und als Ofen.

Empfohlene Zitierweise:
Paul Müller-Simonis: Vom Kaukasus zum Persischen Meerbusen. Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1897, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Kaukasus_zum_Persischen_Meerbusen.pdf/107&oldid=- (Version vom 1.8.2018)