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In sein Zimmer zurückgekehrt wurde Baron Stahl nachdenklich.

Keine eigentlich gruseligen Gefühle, eher eine Art besorgter Neugierde wandelte ihn an. „Werde ich heute nacht etwas Besonderes erleben?“ fragte er sich.

Er öffnete das Fenster, um den frischen Hauch der Herbstnacht hereinzulassen, und dabei warf er einen Blick auf die Landschaft.

Aus dem schwarzblauen Himmel strahlte der Vollmond, keine Wolke dort oben, aber über der Erde hinschleichend um die entblätterten Büsche des Parks silbrige, regenbogenfarbig geränderte oder durchschillerte Nebel. Auch an den Hügeln, die sich von der Parkmauer herabschrägten, schlichen sie dahin, über dem Kirchhof wogten sie zwischen umgerissenen Leichensteinen und Kreuzen, über den zerwühlten Gräbern und um die Trauerweiden und Lebensbäume herum.

Es war ein zauberisches, aber unheimliches Bild, Baron Stahl konnte seinen Blick nicht davon losreißen.

Endlich, mit einer Art Überwindung, machte er das Fenster zu und begann sich auszukleiden, den Fensterladen hatte er zu schließen unterlassen. Es war ihm stets unangenehm, das Licht auszusperren. „Ich will es fühlen, wenn der Morgen kommt,“ pflegte er zu sagen.

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Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 2, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/312&oldid=- (Version vom 1.8.2018)