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„Zu was brauchst du die Rosen?“ fragte er.

„Für das Zimmer deiner Braut,“ erwiderte sie.

„Ach, laß das Zimmer ungeschmückt,“ gab er ihr zur Antwort.

Hierauf verfiel er in dumpfes Schweigen.

„Es wird feucht,“ meinte sie; „wir thäten besser, ins Schloß zu gehen.“

„Die Feuchtigkeit schadet weder dir noch mir, bleib noch,“ bat er, „es ist so schön draußen, wir wollen im Freien blieben, bis der Tag ganz tot ist, ganz.“

„Meinethalben,“ erklärte sie, „aber dann mußt du mir alle Rosen abpflücken, die ich nicht habe erreichen können.“

„Ja, Annie. Zeig mir welche.“

Sie zeigte auf eine gelbe, dann auf eine blaßrosa und auf eine weiße. Er schnitt eine nach der andern ab.

Der Nebel wurde unruhig, der dichte weiße Schleier bewegte sich, zerriß in phantastisch geformte Fetzen.

„Wie seltsam,“ flüsterte sie, „es ist, als ob ein neuer Tag anbräche, als ob die Sonne noch einmal aufgehen wollte.“

„Die Sonne geht nicht zweimal auf an einem Tag,“ murmelte Zdenko müde; „es ist der Mond, der aufgeht.“

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Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 2, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/270&oldid=- (Version vom 1.8.2018)