Sein Schritt näherte sich und blieb vor der Thür des Vorgesetzten unschlüssig stehen. Der Oberst selbst öffnete die Thür.
„Kommen Sie herein!“ rief er.
Er trat ein, griff mit der rechten Hand an seine Stirn und hielt sich mit der linken an einem Möbel fest.
„Verzeihen Sie, Herr Oberst, ich bin nicht ganz bei mir, bin in einem Zustand, in dem ich mich Ihnen lieber nicht gezeigt hätte.“
„Ist weiter von keiner Bedeutung, setzen Sie sich,“ gebot ihm der Oberst. „Sie sind nicht der erste junge Offizier, den ich in diesem Zustand sehe, und werden wohl nicht der letzte bleiben. Den Weltuntergang führt etwas Derartiges nicht herbei, aber meines Wissens hat’s in der Gegend heute kein Fest gegeben, drum, wenn es Ihrem Gedächtnis momentan nicht zu viel zuzumuten heißt, möchte ich wissen, wo Sie sich diesen Zustand geholt haben?“
„Wo?“ Swyoschin war teilweise zu sich gekommen. Sein Gesicht war noch immer rot und aufgedunsen, aber seine wässerigen Augen hatten sich etwas geklärt, und je mehr sie sich klärten, um so mehr zeigten sie einen Ausdruck starren Entsetzens.
„Wo?“ murmelte er, „wo? In der Kneipe … dort unten am Fluß … der Kneipe ‚zu den drei Linden‘, dort hab’ ich mir den Rausch angetrunken.“
Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 2, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/259&oldid=- (Version vom 1.8.2018)