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nicht herausfordern würde. Annie Binsky war nicht zänkisch, sie war nur tapfer. Sie trug eine leichte Bluse und einen derben, ziemlich kurzen grauen Lodenrock. Trotz des sie umgebenden Frühherbstgefröstels war ihr warm, und trotz der mißmutig über ganz Radin brütenden Trauer schien sie vergnügt.

Emsig an einer Handarbeit nähend, ließ sie den alten Herrn weiter klagen, so lange, bis es ihn zu ärgern anfing, daß sie ihm nicht widersprach. Dann lenkte sie durch eine geschickte Frage seine Gedanken der Vergangenheit zu.

Dantes Worte über jene traurigste Traurigkeit, die daraus entsteht, wenn man aus dem gegenwärtigen Elend heraus vergangener Freuden gedenkt, sind zwar sehr schön, aber nicht immer zutreffend. Den alten Herrn zerstreute die Erinnerung an seine schöne Vergangenheit zusehends und auf das angenehmste. Herrliche Bilder rollten sich vor ihm auf. Er schwelgte in längst bestandenen romantischen Gefahren, erlebte merkwürdige Abenteuer, Jagdabenteuer und auch andre, in deren Bericht er sich plötzlich unterbrechen mußte, um die Ohren des jungen Mädchens zu schonen.

Manchmal unterbrach er sich zu spät, aber das schadete auch nichts, an Annies reiner Seele glitt alles ab; nicht daß ihr das, was er ihr vorplauderte, unverständlich gewesen wäre; sie verstand ganz gut, aber

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Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 2, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/232&oldid=- (Version vom 1.8.2018)