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zu dem bescheidensten Dragoner, hatte sich auf den Tag gefreut. Um drei Uhr früh war man ausgerückt. Die grauen Dämmerungsschleier schwebten noch über den taunassen Wiesen, den frisch abgeräumten Stoppeln und über den wenigen Feldern, auf denen das abgeschnittene Getreide noch in dicken Schwaden lag. Alles sah poetisch, malerisch, verwischt aus, auch die krummstämmigen Zwetschgenbäume an dem Straßenrand und die bleichen Armensünderblumen zu ihren Füßen und der Fluß, der sich blauschimmernd zwischen kurios verschnittenen Weiden durch die Landschaft schlängelte.

Der Oberst war aufgeregt wie eine Primadonna vor ihrer Benefizvorstellung; die schrill durch die stille Morgenluft gellenden Trompetensignale, der Lärm der durcheinandertrappelnden Pferdehufe versetzten ihn in gehobene Stimmung. Er erinnerte sich an den Morgen vor Custozza, an den glorreichen Todes- und Siegesritt, den er damals als ganz junger Offizier mit seinem Zug ausgeführt hatte. Wie schön das gewesen war. Wenn nur die Nachricht von der Schlacht bei Königgrätz nicht darauf gefolgt wäre. Die hatte den Jubel totgeschlagen.

In diese Gedanken vertieft, führte er sein Regiment durch die breite, unebene Hauptstraße eines böhmischen Dorfes mit abwechselnd ebenerdigen, strohgedeckten und einstöckigen, schindelgedeckten, mit hölzernen

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Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/219&oldid=- (Version vom 1.8.2018)