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dem Kreuz emporragte, senkte ihre müden Äste über die phantastische Gestalt.

„Gina, was fällt dir ein, ich habe dich schon so oft gebeten, dir diese Bizarrerieen abzugewöhnen!“ rief, auf sie zutretend, die Schwester in strengem, ermahnendem Ton. „Du kannst deiner Vorliebe für englische Dichter doch anderswo als auf Gräbern frönen!“

„Du weißt, mich schrecken die Gräber nicht,“ erwiderte Gina. Ihre Stimme hatte einen merkwürdigen metallischen und zugleich heiseren Klang – den Klang einer leicht gesprungenen Glocke – einer von den Glocken, die Swoyschin in jener denkwürdigen Nacht immer denselben Namen zugerufen hatte: Gina Ginori! – Gina Ginori! – Gina Ginori!

„Es gibt keine Toten für mich!“ setzte sie trotzig hinzu.

Sie hob den Kopf, schlug die Augen auf – blaue Augen zwischen breiten, rötlichbraunen Augenlidern – abgrundtiefe Augen, in denen ein dumpfes Feuer aus dunklen Schatten hervorglühte. Ihr Blick fiel auf Zdenko, wurde starr und senkte sich dann plötzlich zu Boden. Ein dunkles Rot überzog ihre Wangen. Das Buch fiel ihr aus der Hand, und während er sich bückte, um es aufzuheben, richtete sie sich wie von einer Feder geschnellt empor. Sie machten den Eindruck, als ob plötzlich Leben in sie

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Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 1, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/120&oldid=- (Version vom 1.8.2018)