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soll an der Toten herumhantiert haben wie eine Leichenfrau. Sie hat sie frisiert und hat ihr den Myrtenkranz aufs Haar gesteckt. Ich hab’s erst später erfahren, sonst hätt’ ich’s nicht zugegeben. Zum Schluß hat sie ihr noch selbst eine Grabschrift gedichtet und mit goldenen Buchstaben auf ihr Grabkreuz drucken lassen, und jetzt pilgert sie jeden Tag hinunter zu dem Kirchhof.“

In dem Augenblick öffnete sich die Thür. Noch eine Dame trat ein. „Ach, kommst du endlich?“ rief die Gräfin Zell. „Wir haben Besuch bekommen.“ Mit einer Handbewegung nach den beiden Herren nannte sie vorstellend deren Namen, worauf sie erklärend hinzufügte: „Meine Nichte Marchesina Ginori!“

Gespannt heftete Swoyschin, der sich indessen zugleich mit dem Obersten erhoben und verbeugt hatte, die Augen auf die Italienerin. Er fühlte sich enttäuscht.

Die Marchesina Ginori war ein großes, etwas grobknochiges Mädchen mit rotem Haar und weißen Augenwimpern, die Züge regelmäßig, ohne Anmut, die Hautfarbe frisch, aber stark von Sommersprossen entstellt. Die Haltung energisch, der Blick eigentümlich gerade, forschend, fast bannend.

Nein, sein Traum war durchaus keine Offenbarung gewesen – kein Geisterspuk war dabei im Spiel. Bärenburg hatte sich einen Scherz mit dem

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Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 1, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/115&oldid=- (Version vom 1.8.2018)