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nicht eine Anspielung auf den wirklichen Stand der Dinge! Der schwerfällige Regimentsarzt, Sohn eines kleinen Spezereikrämers aus Komotau, benahm sich wie ein Gentleman. Der Oberst zollte ihm in seinem Herzen die warme Anerkennung, die er mit den Lippen für immer verschweigen mußte! Und doch – als er ihn ansah, kurz, gedrungen, mit den schmalen grauen Augen in dem flachen, von einem blonden Vollbart umrahmten roten Gesicht, mit den kurzen, dicken Händen, die in den oft gewaschenen und etwas zu engen Militärhandschuhen doppelt dick und kurz aussahen, ergriff ihn zugleich mit dem Mitleid für den Mann das Mitleid mit der Frau.

Die Stimme des Regimentsarztes, immer ein wenig heiser und dünn, besonders in Anbetracht des Umfangs seines Brustkastens, klang, von seiner mühsam bekämpften Erregung zugeschnürt, geradezu krähend. Einer seiner Handschuhe war beim Knopfloch geplatzt – das rote Fleisch quoll hervor. Der Oberst erinnerte sich dessen, wie die Hände aussahen ohne Handschuhe – die stumpfen, rotbeharrten Finger, die flachen, schartigen, schaufelförmigen, fast nie ganz sauberen Nägel.

Es war wirklich zu traurig, die Frau dieses Mannes zu sein mit einer unglücklichen Liebe für Zdenko Swoyschin – traurig und ein wenig lächerlich zugleich, wie so viele Dinge im Leben.

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Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 1, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/072&oldid=- (Version vom 1.8.2018)