wie dem Märzfeld mit meinem Säbel den Kopf ab bei einem Duell!“ Wieder hielt er sich die Hand über die Augen.
Aus einem verlegenen Schweigen heraus trachtete der Oberst den jungen Freund zu trösten.
„Gar zu ernst dürfen Sie die Sache nicht auffassen – sie wird’s verwinden – bei diesen sentimentalen, überspannten Frauen geht so etwas gewöhnlich nicht zu tief.“
„Ja, Herr Oberst, das Gefühl für mich geht vielleicht nicht tief, – aber der Ekel vor ihren Lebensbedingungen, der Ekel, den ich ihr unvorsichtigerweise beigebracht hab’, der geht tief! Mich würde sie wahrscheinlich leicht genug vergessen, wenn sie einen andern Ausweg aus der Plattheit ihrer Existenz finden könnte als ihre Leidenschaft. Haben Sie je eine Blume gesehen, die, im Schatten einer hohen Mauer aufwachsend, sich streckt und streckt bis über die Mauer hinauf, weil sie nicht blühen kann ohne Licht? Sie streckt sich und streckt sich, bis sie ganz dünn wird davon, aber es gelingt ihr doch, über die Mauer zu sehen, es gelingt ihr einmal, ihre Blüten zu entfalten und die Sonne zu grüßen. Und kaum, daß sie über die Mauer geschaut hat, kommt ein kalter Sturm und bricht ihre armselig und mühsam entfaltete Blüte ab! – Sehen Sie, Herr Oberst, an so eine Pflanze erinnert mich die Doktorin.“
Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 1, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/070&oldid=- (Version vom 1.8.2018)