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Sehnsucht, der mir durch Mark und Bein ging! – Sie hatte sich ins Herz geschossen.

Vierundzwanzig Stunden waren seit ihrem Tod verflossen. Die Leiche war bedeckt mit Blumen. Alle hysterischen Frauen Wiens hatten Blumen geschickt, der Duft war betäubend, er mutete mich sonderbar an nach den Miasmen auf der Straße, auf der Treppe! … Ich kniete nieder und betete mein ‚Vaterunser‘, und während ich mitten im Beten war, hatte ich das Gefühl, jemand träte herein. Plötzlich überkam mich eine Übelkeit, eine Beängstigung – aus dem Blumenduft drang etwas Fürchterliches, Ekelhaftes, Schauriges. Ich richtete mich auf – und da … am Fußende des Bettes, auf dem die Tote lag, sah ich eine hohe, schmale Gestalt in einem schwarzen Mantel, deren Kapuze so weit um ihr Gesicht vorgezogen war, daß man dasselbe nicht erkennen konnte. Nur zwei ungeheure schwarze Augen sah ich, die mich gierig anfunkelten. Ich blieb stehen wie gebannt – die schwarze Gestalt kam auf mich zu. Sie machte den Eindruck zu schweben – ohne jegliche Bewegung ihrerseits – sie kam näher – alles drehte sich mit mir …

Als ich wieder zu mir kam, lag ich in meinem Bett. Man hatte mich ohnmächtig neben der Leiche gefunden und nach Haus transportiert. Ich fragte nach der schwarzen Gestalt, niemand konnte mir Auskunft geben … kein Mensch hatte sie bemerkt!

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Ossip Schubin: Vollmondzauber. Stuttgart: J. Engelhorn, 1899, Band 1, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vollmondzauber.djvu/063&oldid=- (Version vom 1.8.2018)