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Nicht weit von dem Berge, in welchem die Riesen sich aufhielten, wohnte ein Böttcher, dem es gar schlecht erging; er hatte nämlich neun Kinder, welche er nur mit grosser Mühe ernähren konnte. Dazu hatte er kein Geld, um die Reifen, welche er zu den Fässern brauchte, zu kaufen; deshalb stahl er sie im Walde. Der Wald aber war Eigenthum des Riesen, und deshalb wagte der Böttcher sich nur mit grosser Angst hinein. Einstmals, als er wieder Reifen gestohlen hatte, stiess er auch richtig auf den Riesen. Zuerst wollte ihn der Riese mit einer Stange, welche ihm als Waffe diente, erschlagen, dann aber, als er von der grossen Noth des Böttchers hörte, sagte er, er wolle ihm nicht nur das Leben schenken, sondern auch die Erlaubniss ertheilen, dass er in dem Walde soviel Reifen holen könnte, wie er wollte, wenn er ihm verspräche, dass seine älteste Tochter die Frau seines ältesten Sohnes Johann würde; das sollte geschehen, wenn sie das zwanzigste Jahr erreicht hätte. Der Mann willigte in seiner Angst in die Forderung des Riesen ein.

Von nun ging es dem Böttcher wohl, bis auf die Sorge um seine Tochter; hatte er doch Holz und Reifen, soviel er brauchte. Endlich fiel es der Frau auf, dass ihr Mann jetzt ohne Furcht in den Wald ging und schliesslich musste er derselben sein Geheimniss mittheilen. Fortan hüteten die Eltern ihre Tochter sorgfältig. Einmal mussten sie aber zum Markte gehen. Sie hatten ihrer Tochter anempfohlen, dass sie sich mit ihren Geschwistern nur hinter verschlossenen Thüren aufhalten solle, bis sie wieder kämen. Die Eltern waren noch nicht lange fort, so kam der älteste Sohn des Riesen daher; es war nämlich gerade die Zeit, in welcher das Mädchen sein zwanzigstes Jahr erreicht hatte. Der Riese klopfte an die Thür und begehrte Einlass. Die Tochter des Böttchers wollte nicht öffnen. Der Riese aber bat, sie möchte ihn nur eintreten lassen, er werde ihr nichts thun. Endlich öffnete ihr jüngster Bruder die Thür; das Kind war nämlich erst vier Jahre alt und deshalb hatte es noch keine Furcht. Nachdem der Riese eingetreten war, holte er aus seinem Wildranzen reichliches Essen und Trinken hervor; alle