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Rotation nimmt die vom ruhenden System gemessene Winkelgeschwindigkeit mit wachsendem Abstande von der Achse ab. Born bemerkt noch, daß darnach die Erdkugel schwerlich ein in diesem Sinne „starrer“ Körper sein würde. Im euklidischen Raume wäre dies gewiß nicht der Fall, wohl aber im Raume von Lobatschefskij und Bolyai. Das paradoxe Resultat von Born, wonach die mehr achsialen Schichten mit einer größeren Winkelgeschwindigkeit rotieren als die peripheren, scheint mir dadurch hervorgerufen zu sein, daß man eine tatsächlich nichteuklidische Rotation auf die Bewegung eines Punktes längs der Peripherie des euklidischen Kreises abgebildet haben will. Um dies zu begründen, bemerke ich, daß sich auf die Rotation im Lobatschefskijschen Raume fast alles übertragen läßt, was man so gewöhnlich von der Rotation aussagt[1].

Denkt man sich von irgendeinem außerhalb der Rotationsachse liegenden Punkte des Körpers eine Senkrechte auf die Rotationsachse gezogen, so muß diese wegen der Unveränderlichkeit der Körpergestalt in jeder neuen Lage senkrecht zur Rotationsachse bleiben und auch ihre Länge kann sich nicht ändern. Die Senkrechte bildet also den Halbmesser eines Kreises, auf dem sich der zugehörige Punkt bewegt. Dem Absolutbetrage nach haben alle Punkte, die in gleichem Abstande von der Drehachse liegen, in jedem Augenblicke gleiche Geschwindigkeiten. Bei Punkten, die in verschiedenen Abständen liegen, drehen sich die zur Rotationsachse gezogenen Senkrechten stets um gleiche Zentriwinkel[2]. Bis hieher stimmen die euklidische und die nichteuklidische Rotation überein; jetzt kommt aber ein wesentlicher Unterschied. In der gewöhnlichen Kinematik verhalten sich die Absolutbeträge der Geschwindigkeiten wie die Abstände von der Drehachse, in der nichteuklidischen Kinematik verhalten sich aber die von den Punkten in verschiedenen Abständen von der Drehachse beschriebenen Wege wie die hyperbolischen Sinus jener Abstände. Der dem Zentriwinkel zugehörige Bogen des Lobatschefskijschen Kreises vom Radius wird nämlich durch die Formel


  1. Z. B. bei Föppl, Technische Mechanik, Bd. I, 1911, S. 191.
  2. Die Erhaltung dieser Eigenschaft ermöglicht uns auch bei der nichteuklidischen Drehung das Messen der Winkelgeschwindigkeit durch den Winkel, um welchen sich der Körper in der Zeiteinheit dreht.
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Vladimir Varićak: Bemerkungen zur Relativtheorie. Bulletin des travaux de la classe des sciences mathématiques et naturelles, 1914, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VaricakRel1914a.djvu/15&oldid=- (Version vom 1.8.2018)