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der Wissenschaften und Künste zu Agram gehalten habe[1], erwähnte ich auch die Untersuchungen über das zulässige Krümmungsmaß des Raumes, beziehungsweise über die Länge der absoluten Einheitsstrecke des hyperbolischen Raumes.

Alle Längen, mit denen wir zu tun haben, verschwinden gegen diese Einheitsstrecke und deswegen reduzieren sich in den Gebieten unseres Erfahrungsraumes die Formeln der Lobatschefskjischen Geometrie auf die Ausdrücke der gewöhnlichen euklidischen Geometrie. Um das Verhältnis dieser Geometrien durch eine Analogie aus der Physik begreiflicher zu machen, verwies ich auf das Verhältnis der Mechanik der Elektronen zur Newtonschen Mechanik[2].

Die Lorentz-Fitzgeraldsche Hypothese von der Kontraktion des Elektrons führte mich auf die Vermutung, ob sich diese Kontraktion nicht als eine Folge der geometrischen Anisotropie des Raumes deuten ließe? Sie schien mir eine Analogie zu bilden zur Deformation der Längen in einer sehr bekannten Interpretation der Lobatschefskijschen Geometrie[3]. Es scheint nun, daß sich meine Vermutung über das Hineinspielen der nichteuklidischen Geometrie in die Relativtheorie verwirklichen will. Das Erscheinen der Arbeit von Herglotz[4] veranlaßt mich, folgende Bemerkungen gleich zu veröffentlichen, da seine Arbeit in einem Punkte teilweise in derselben Richtung geht, wie meine diesbezüglichen Untersuchungen. Der tatsächliche Inhalt meiner Mitteilung ist natürlich ein ganz anderer.

1. Die Substitution .

Diese Substitution bahnte mir den Weg zur nichteuklidischen Interpretation der Relativtheorie. Nun bemerke ich nachträglich, daß Minkowski[5] auch einmal

gesetzt, d. h. das Geschwindigkeitsverhältnis als ein Tangens hyperbolicus ausgedrückt hat, aber er beachtete nicht weiter das mittlere Glied in dieser Relation.

J. J. Thomson[6] hat das Verhältnis der Geschwindigkeit des Elektrons zur Lichtgeschwindigkeit als den Sinus eines gewissen Winkels ausgedrückt. Fasse ich diesen Winkel als Komplement des zur Länge gehörigen Parallelwinkels, so komme ich wieder zu jener Substitution. Die verschiedenen Wege, auf denen man zu dieser Substitution gelangt ist, erhöhen das Vertrauen zu ihr.

Bei der Zusammensetzung der Geschwindigkeiten und , die den Winkel einschließen, hat man das Lobatschefskijsche Dreieck mit den Seiten und dem eingeschlossenen Winkel zu bilden. Der Geschwindigkeit ordnet man die Länge von der Maßzahl nach der Relation

(1)

zu.

Nach englischer Schreibweise bedeutet die inverse Funktion des hyperbolischen Tangens. Wir wollen nun untersuchen, ob diese Festsetzung nicht in einem zu schroffen Gegensatze zur gewöhnlichen Veranschaulichung der Geschwindigkeiten steht? Als Repräsentanten von Geschwindigkeiten gleichförmiger Bewegungen benutzt man in der gewöhnlichen Mechanik die mit den betreffenden Geschwindigkeiten proportionalen Strecken. In den Grenzen unserer gewöhnlichen Erfahrung führt die Formel (1) zu demselben Resultate. Erst bei den Geschwindigkeiten, die mit der Lichtgeschwindigkeit einigermaßen vergleichbar sind, zeigt sich ein merklicher Unterschied, der dann schnell zur unendlichen Verzerrung führt. Als die Einheitsstrecke benutzen wir den Weg des Lichtes in einer Sekunde. Dann ist

(2)

Nehmen wir zuerst = 1 km/sec, dann ist

(3)

Wenn wir alles nach dem ersten Gliede auf der rechten Seite vernachlässigen, so begehen wir einen Fehler, der nicht einmal auf die zehnte Dezimale Einfluß üben würde. Man hat also auch bei unserer Festsetzung für die Geschwindigkeit von 1 km/sec eine Länge von 1 km zum Repräsentanten.

Nimmt man dann die in der gewöhnlichen Mechanik jedenfalls außerordentlich große Geschwindigkeit von 100 km/sec, so wird


  1. Erschienen im „Rad jugoslavenske akademije169, 110–194, 1907.
  2. a. a. O., S. 172.
  3. Meine Bemerkungen zu dieser Interpretation sind erschienen im Rad jugoslavenske akademije 154, 81–131‚ 1903. Mit dieser Interpretation befaßt sich auch A. Schwarz: Zur Theorie der reellen linearen Transformationen und der Lobatschefskijschen Geometrie, Wien, Sitzungsb., II. Abt., 99, 1890. Bonolas Index operum ad geometriam Absolutam spectantium, in der Klausenburger Festschrift, erwähnt diese Abhandlung nicht.
  4. Herglotz, Über den vom Standpunkt des Relativitätsprinzips aus als „starr" zu bezeichnenden Körper. Ann. d. Phys. 31, 383, 1910.
  5. Minkowski, Die Grundgleichungen usw., Göttinger Nachrichten, S. 59, 1908.
  6. Lodge, Elektronen, S. 120.
Empfohlene Zitierweise:
Vladimir Varićak: Die Relativtheorie und die Lobatschefskijsche Geometrie. S. Hirzel, Leipzig 1910, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VaricakRel1910b.djvu/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)