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Anwendung der Lobatschefskijschen Geometrie in der Relativtheorie.
Von V. Varićak.


Für die Zusammensetzung der Geschwindigkeiten in der Relativtheorie gelten die Formeln der sphärischen Trigonometrie mit imaginären Seiten, wie Sommerfeld unlängst in dieser Zeitschrift ausgeführt hat[1]. Nun ist die nichteuklidische Geometrie von Lobatschefskij und Bolyai das imaginäre Gegenbild der sphärischen, und so ersieht man leicht, daß sich der hyperbolischen Geometrie ein interessantes Anwendungsgebiet eröffnet.

Da eine Relativbewegung von Bezugssystemen mit Überlichtgeschwindigkeit nicht vorkommt, kann man immer

setzen[2]. Der Faktor , der in den Lorentz-Einsteinschen Transformationsgleichungen und den draus abgeleiteten Formeln eine große Rolle spielt, geht in über. Setzt man noch , so lauten die Transformationsgleichungen[3]

(1)

oder in der infinitesimalen Form

(2)

Die inverse Transformation ist

(3)

Die diesen Transformationen gegenüber invarianten Hyperbeln

sind ihre Bahnkurven, da ist. Die absolute Invariante ist der Koordinatenanfangspunkt. Wird ein Punkt

der Transformation (1) unterworfen, so geht er in den dem Parameter entsprechenden Punkt der Hyperbel über. Aus dem Unendlichen kommend, geht der bewegte Punkt auf der negativen Seite ins Unendliche[4]. Der Parameter ist die Maßzahl des doppelten Hyperbelsektors‚ der dem Winkel entspricht. Es ist

und die Gleichungen (3) gehen über in

(4)

durch welche die Minkowskische Koordinatentransformation definiert ist[5]. Dabei bedeutet den Radiusvektor des entsprechenden Punktes der Hyperbel.

Deutet man als Strecke, so ersieht man aus den Relationen

daß der zugehörige Parallelwinkel mit dem entsprechenden Gudermannschen oder sogenannten transzendenten Winkel komplementär ist[6].


  1. Diese Zeitschr. 10, 828, 1909.
  2. bedeutet Tangens hyperbolicus von , ebenso und Cosinus und Sinus hyperbolicus.
  3. Einstein, Jahrbuch der Radioaktivität 4, 420, 1908.
  4. Es erinnert an die Hyperbelbewegung bei Born, Ann. d. Phys. 11, 25, 1909.
  5. Im Zusammenhange mit den Minkowskischen Anschauungen über Raum und Zeit wird man nun wohl auch dem Büchlein von M. Palágyi, Neue Theorie des Raumes und der Zeit, Leipzig 1901, das ihm gebührende Interesse entgegenbringen.
  6. Vgl. Engel-Lobatschefskij, Zwei geometrische Abhandlungen. Leipzig 1898, S. 246.
Empfohlene Zitierweise:
Vladimir Varićak: Anwendung der Lobatschefskijschen Geometrie in der Relativtheorie. S. Hirzel, Leipzig 1910, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VaricakRel1910a.djvu/1&oldid=- (Version vom 1.8.2018)