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Walther Kabel: Vögel als Warner vor Blitzgefahr. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 11, S. 224–226

recht bedeutsames Material für dessen Untersuchungen auf diesem Gebiet geliefert. „Eines Nachmittags,“ so schreibt Herr Wendler auf Karolinenhof in Pommern, „flüchtete ich mich vor einem Gewitterregen unter einen Birnbaum, der auf dem Feldrain stand. Auf dem Obstbaum saßen drei Krähen, die sich ziemlich dicht an den Stamm geschmiegt hatten, um Schutz vor dem tobenden Sturm zu finden. Das Gewitter kam näher und näher, und, da mir mein Platz unter dem hohen Birnbaum doch zu gefährlich schien, wollte ich gerade einen nahen Haselnußstrauch als Zufluchtsstätte aufsuchen, als mit einem Male die Krähen mit mißtönendem Krächzen davonflogen. Unwillkürlich beschleunigte nun auch ich meinen Rückzug, war aber erst acht Schritte entfernt, als der Blitz in den Birnbaum einschlug. Ich selbst wurde von dem Luftdruck zu Boden geschleudert, kam aber sonst heil davon. – Ein anderes Mal bemerkte ich bei einem Gewitter, wie das Storchenpaar plötzlich sein Nest auf meinem Scheunendach verließ und zu der nahen Brennerei hinüberflog, deren Schornstein mit einem Blitzableiter versehen war. Kaum hatten sich die Störche auf dem Dache der Brennerei niedergelassen, als ein Blitz in die Scheune fuhr und dabei das Nest Meister Langbeins mitsamt den drei bereits angebrüteten Eiern herabwarf.“ Herr Wendler ist nach seinen Beobachtungen gleichfalls der Ansicht, daß der Instinkt die Vögel vor dem Blitze fliehen lasse. Er schreibt geradezu: „Werde ich von einem Gewitter überrascht, so bin ich am sichersten unter einem Baume, auf dem Vögel sitzen. Fliegen die Tiere fort, so ist es für den Menschen höchste Zeit, gleichfalls seinen Platz zu wechseln.“

In ähnlicher Weise spricht sich der indische Plantagenbesitzer Warrells aus. Dieser hat seine Untersuchungen hauptsächlich an Reiherkolonien gemacht. Er beobachtete des öfteren, daß während eines Gewitters die Reiher ihren Horst verließen und auf andere Bäume hinüberflogen. „Ich habe es nie erlebt,“ schreibt er, „daß in der überaus bevölkerten Reiherkolonie meines Sumpfgebietes ein Reiher durch einen Blitz getötet worden ist. Und dabei hat der Blitz bisweilen Bäume zerschmettert, auf denen sich acht und mehr Reiherhorste befanden.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Vögel als Warner vor Blitzgefahr. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 11, S. 224–226. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1911, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:V%C3%B6gel_als_Warner_vor_Blitzgefahr.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)