bricht sie wieder aus, um die unbehülflichen Würmer in den Zellen, die wartenden Ammen, die faulen Drohnen, die nichtsthuende Königin zu füttern! Man könnte einer Biene zweitausend Blumenstaub-Beutel monatlich bieten unter der Bedingung, sie für sich anzunehmen und sich ein schuldenfreies Blumenbeet damit zu erkaufen – sie würde den reichen Gehalt zurückweisen und, edler als mancher menschliche „Edle“, die reiche Gabe für die Allgemeinheit benutzen. So handeln freilich nur arme, besitzlose, von harter, täglicher Arbeit lebende Bienen!
Die Arbeiterbiene ist ein Weibchen – aber ein verkümmertes Weibchen, dessen Geschlechtsorgane durch Mißhandlung und kümmerliche Nahrung in der Jugend zurückblieben, unausgebildet verharrten und zur Zeugung unfähig wurden. Die Arbeitsbienen besitzen diese Theile und können, wie wir sehen werden, auch durch gehörige Behandlung und reiche Nahrung in den ersten Tagen zu Königinnen, zu fruchtbaren Weibchen ausgebildet werden. Meist aber geschieht dies nicht. Die armen Würmer des Proletariats werden, wenn auch mit Zärtlichkeit und Liebe behandelt, so doch schlecht gefüttert und mangelhaft ernährt. Indem eine teuflische Staatseinrichtung sie des geschlechtlichen Genusses beraubt, schafft man die verkümmerte Jugend zu Proletariern und Zeitlebens unglücklichen, verdummten, zu harter Arbeit verurtheilten Individuen. So entsetzlich wirkt bei den Thieren die konstitutionelle Staatsform auf die Moralität der unteren Klassen, daß diese, obgleich den Kindern in treuer Liebe anhänglich, sich dennoch selbst zu Werkzeugen der Erniedrigung dieser Geschöpfe hergeben, daß sie selbst mit berechneter Absicht, mit einer Art grausamer Wollust die Nachkommenschaft verkümmern lassen, um aus ihnen Proletarier
Carl Vogt: Untersuchungen über Thierstaaten. Literarische Anstalt, Frankfurt am Main 1851, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Untersuchungen_%C3%BCber_Thierstaaten-Carl_Vogt-1851.djvu/65&oldid=- (Version vom 1.8.2018)