Weg dazu gebahnt. Es hat das Leben und Vergehen aller Theile des Körpers gezeigt; es hat uns bewiesen, daß selbst die festesten Theile des Körpers beständig vergehen und sich erneuen, abgenutzt und ersetzt werden. Knochen und Fleisch, Nerven und Häute, Hirn und Eingeweide – Alles ist in beständiger Verwesung, in beständiger Erneuerung begriffen. Die Art und Weise, wie diese Erneuerung bewerkstelligt wird, ist nicht einerlei. Die Fleischfaser des Fleischfressers ist eine andere, als die des Pflanzenfressers. Wir essen deßhalb weder Füchse noch Katzen. Die Aussonderungen der Fleischfressenden Thiere sind andere, als die der Pflanzenfressenden. Ich kann sie willkürlich ändern durch Aenderung der Nahrung – ich kann nach Belieben Hippursäure, Benzoesäure oder Harnsäure in den Urin schaffen. Und die Aussonderungen der Hirnsubstanz, die Gedanken, sollten diesem Gesetze nicht unterliegen?
Die Natur kennt keine Ausnahmen. Der Schlüssel des Räthsels lag in meiner Hand. Gleichmäßige Nahrung – gleichmäßige Gedanken – Instinkt; ungleichmäßige Nahrung – außergewöhnliche Gedanken – Verstand!
Ich forschte nach in dem Thierreiche – mein Gesetz war richtig. Der dumme Constitutionalismus der Bienen mit seinen ewig wiederkehrenden Revolutionen und der Unmöglichkeit eines Fortschrittes durch dieselben zu höherer Staatsform erklärte sich ebenso sehr durch die ewig gleichförmige Nahrung, als der social-demokratische Ameisenstaat mit seiner individuellen Anarchie und dem hohen Verstande des Einzelnen seinen Grund in der unendlich wechselnden Nahrung fand. Blumensäfte, Blattlausmilch, Holzfasern, Thierleichen – Alles dient der Ameise zur Nahrung und sie erklimmt durch diese Diversität die höchste Stufe
Carl Vogt: Untersuchungen über Thierstaaten. Literarische Anstalt, Frankfurt am Main 1851, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Untersuchungen_%C3%BCber_Thierstaaten-Carl_Vogt-1851.djvu/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)