Von einem Vetter aus Cayenne.
Glückliche Verwandte, die Ihr unter einer gemäßigten Sonne ein beneidenswerthes, ruhiges Leben führt! Stets findet Ihr genug des süßen Honigsaftes auf Sträuchern und Bäumen, Eure Umgebung verfolgt Euch nicht, stellt nicht nach Euren Leibern oder Eurem Gute! Ihr sitzt ruhig verborgen unter grünem Laubwerk und ergötzt Euch am Zirpen der Gryllen, die zu Euren Füßen lustig im Grase mit ihren Hinterbeinen zum Tanze der lieblich gegürteten, schlankleibigen Schnaken und Mücken geigen und mit ihrem schrillenden Gesange die Lüfte erfüllen. Mit dem seligen Behagen der Ruhe und der Sicherheit schaut Ihr den drolligen Sprüngen der langbeinigen Heupferde im Grase zu und erfreut Euch an den schönen Farben ihrer fächerartig zusammengelegten Unterflügel, wenn sie zum Fluge sich rüsten. Ihr zeigt diese Gryllen und Heupferde Euren Kindern als Vorbilder der Unschuld, der Grazie, der leichten Sorglosigkeit, die über Hindernisse tändelnd hinweghüpft und fröhlichen Gemüthes Hunger und Noth, Kummer und Entbehrung trägt – was würdet Ihr sagen, wenn Ihr wüßtet, welche gräßliche Verwandten diese so unschuldigen Thiere unter andern Himmelsstrichen haben?
Carl Vogt: Untersuchungen über Thierstaaten. Literarische Anstalt, Frankfurt am Main 1851, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Untersuchungen_%C3%BCber_Thierstaaten-Carl_Vogt-1851.djvu/147&oldid=- (Version vom 1.8.2018)