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mit dem es sich umhüllte. O Professoren! Kuckuksspeichel an der deutschen Eiche! Das tropft und thränt unter den glühenden Strahlen des Absolutismus, daß man inniges Mitleid empfinden möchte! Untersucht man aber die tropfenden schaumigen Stellen näher, so findet man unter der aufgeblasenen Seifenflüssigkeit eine häßliche Zecke, die ihren Saugstachel in des Zweiges Mark gebohrt hat und ihm den Lebenssaft aussaugt – zu welchem Zwecke? Um den süßen Saft nach ärmlicher Verdauung aus dem Hintern von sich zu geben und sich aus dem schaumigen Kothe eine Hülle zu bauen zum Schutze gegen die brennende Sonne, welche ihren weichen Körper zur Mumie ausdorren würde. Was kümmert’s die Zecken, daß die Blätter des Baumes, die er in die freie Luft hinausstreckt, unter ihrem Saugen welken und abfallen? Was kümmert sie’s, daß der Baum leidet, seine innersten Lebenssäfte sich verzehren, verderben und vergiften? daß die Blüthen stocken, die Früchte unreif abfallen? Ihnen ist’s ja wohl, diesen Zecken, ihre Nahrung ist ihnen garantirt, ihre Verdauung gewährt ihnen ausreichenden Schutz und sie sitzen hoch genug, um mit ihrem flüssigen Zuckerwasserkothe noch obenein das Erdreich unter ihnen zu beschmutzen![1]


  1. Selten wird man im Frühling und Sommer in einer Laube sitzen, ohne daß hin und wieder ein Tropfen Flüssigkeit herunterfällt, [XI] wenn sie von Bäumen, besonders Weiden umschattet ist. Untersucht man die Zweige des Baumes, so findet man an denselben einen weißlichen Schaum, welcher schon vor alten Zeiten den Namen Kuckuksspeichel erhalten hat, weil man wähnte, er käme von diesem Vogel her: er geht aber wahrscheinlich dem Insekt nach, welches darin verborgen liegt und das man daher Schaum- und Gäschtwurm genannt hat. Man findet übrigens diesen Schaum auch auf den Wiesen, wo er fast an allen Gräsern und Kräutern hängt. Der Schaum ist weiß und voll von Luftbläschen, bisweilen häuft er sich so an, daß ein dicker Tropfen Feuchtigkeit, so hell als Wasser, darunter hängt. Die jungen, damit bedeckten Blätter rollen sich zusammen und kommen nicht zu ihrer völligen Größe, weil die Insekten eine beträchtliche Menge Saft daraus saugen: denn man findet gewöhnlich mehrere beisammen, 3 bis 5 und noch mehr. So lange sie im Larven- und Puppenzustande sind, gehen sie nicht heraus, sie sind dadurch gegen die Sonnenhitze und die Anfälle der Raubinsekten geschützt, besonders der Spinnen; indessen werden sie manchmal von Wespen herausgeholt. Nimmt man ihnen denselben, so laufen sie unruhig herum, schrumpfen ein und sterben. Setzt man sie auf einen saftigen Stengel, so saugen sie sich ganz voll, ziehen dann den Schnabel heraus, drehen und heben den Hinterleib nach allen Seiten, worauf nach und nach kleine, schaumartige Wassertropfen an dem Hintern zum Vorschein kommen und zusammenfließen, und das währt so lange, als Saft im Körper ist. Diese luftreichen Tropfen bilden den Schaumklumpen, worin sie sich verbergen. Ist er nicht groß genug, so saufen sie noch einmal und geben wieder Schaum von sich, bis sie wieder ganz davon bedeckt sind. Es ist daher gewiß, daß dieser Schaum kein wirklicher Speichel ist, sondern der Pflanzensaft selbst, welcher aber vorher durch den Leib gehen und einigermaßen verdaut werden muß.
    (Oken S. 1598–1600.)     
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Carl Vogt: Untersuchungen über Thierstaaten. Literarische Anstalt, Frankfurt am Main 1851, Seite X. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Untersuchungen_%C3%BCber_Thierstaaten-Carl_Vogt-1851.djvu/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)