den Stock, sammelt sich noch vor dem Flugloche, und schwirrt dann in fröhlicher Ausgelassenheit in die blaue Luft, hoch hinauf, bis das Auge des Beobachters sie in der Ferne verliert.
Was bei solchen Festlichkeiten geschehen mag, ist noch unentdeckt. Die Vergnügungen der Bienenhofes sind in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt, welches nur die Folgen einigermaßen aufzuklären vermögen. Der Hirschpark zu Versailles war nicht verschwiegener, als die stillen Blumen-Lusthäuser der Drohnen. Aber eine Viktoria findet immer ihren Prinzen Albert und – ich bemerkte es schon früher – das absolute Veto ist bei der Bienenkönigin durchaus obsolet und seit Jahrhunderten nicht angewandt worden. Ist die Wollust nicht die Schwester der Grausamkeit? Hat man nicht gefunden, daß die grausamsten, blutdürstigsten Geschöpfe zugleich unersättlich in niederer Gier sind? Und ein weibliches Wesen, das alle sanfteren Gefühle so sehr in seinem Inneren erstickt hat, daß es seine eigenen Geschwister mit kalter Grausamkeit erdolcht, sollte dieß nicht auch ein Ungeheuer in sittlicher Verkommenheit sein? … Wir schweigen, denn die Trophäen, welche die Königin manchmal von ihrem Ausfluge heimbringt, können als eine grausame Potenzirung des Thurmes von Nesle angesehen werden.
Genug, die Königin kehrt nach einigen Stunden abgeflogen, müde, bestäubt und oft sogar beschmutzt wieder heim, gefolgt von ihren Drohnen, welche flügellahm und ermattet scheinen. Jetzt aber wird sie mit wahrem Jubel von den Arbeitern empfangen. Sie drängen sich so dicht um sie, daß sie im Eifer sogar über sie hinweg schreiten, oder unter ihr durchkriechen; im Triumph wird sie im Stocke herumgetragen, beleckt, gebürstet, geliebkost, gefüttert, gehätschelt
Carl Vogt: Untersuchungen über Thierstaaten. Literarische Anstalt, Frankfurt am Main 1851, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Untersuchungen_%C3%BCber_Thierstaaten-Carl_Vogt-1851.djvu/115&oldid=- (Version vom 1.8.2018)