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Den Rittern in den Rücken fällt er mit grauser Wuth,

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Heut will der Städter baden im heißen Ritterblut.

Wie haben da die Gerber so meisterlich gegerbt!
Wie haben da die Färber so purpurroth gefärbt!

Heut nimmt man nicht gefangen, heut geht es auf den Tod,
Heut sprützt das Blut wie Regen, der Anger blühet roth.

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Stets drängender umschlossen und wüthender bestürmt,

Ist rings von Bruderleichen die Ritterschaar umthürmt.

Das Fähnlein ist verloren, Herr Ulrich blutet stark,
Die noch am Leben blieben, sind müde bis in’s Mark.
Da haschen sie nach Rossen und schwingen sich darauf,

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Sie hauen durch, sie kommen zur festen Burg hinauf.


„Ach Allm–“ stöhnt’ einst ein Ritter, ihn traf des Mörders Stoß –
Allmächt’ger! wollt’ er rufen – man hieß davon das Schloß.
Herr Ulrich sinkt vom Sattel, halbtodt, voll Blut und Qualm,
Hätt’ nicht das Schloß den Namen, man hieß’ es jetzt: Achalm.“

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Wohl kömmt am andern Morgen zu Reutlingen an’s Thor

Manch trauervoller Knappe, der seinen Herrn verlor.
Dort auf dem Rathhaus liegen die Todten all gereiht,
Man führt dahin die Knechte mit sicherem Geleit.

Dort liegen mehr denn sechszig, so blutig und so bleich,

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Nicht jeder Knapp’ erkennet den todten Herrn sogleich.

Dann wird ein jeder Leichnam von treuen Dieners Hand
Gewaschen und bekleidet in weisses Grabgewand.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0320.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)