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Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815)

Naht sich hülfreich dem Geworfnen,

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Nimmt ihm ab des Helms Gewicht:

Sieh! da wallen reiche Locken
Um ein zartes Angesicht.

Wie er Schien’ und Panzer löset,
Welch ein Busen! welch ein Leib!

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Hingegossen ohne Leben,

Liegt vor ihm das schönste Weib.

Würden erst die bleichen Wangen
Röten sich von neuer Glut,
Hüben erst sich diese Wimpern,

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Wie dann, Paris, junges Blut?


Ja! schon holt sie tiefen Atem,
Schlägt die Augen zärtlich auf;
Die als wilder Feind gestorben,
Lebt als milde Freundin auf.

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Dort, in Stücken, liegt die Hülle,

Die ein starrer Ritter war,
Hier, in Paris Arm, die Fülle,
Süßer Kern, der Schale baar.

Paris spricht, der schöne Ritter:

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„Welcher Sieg nun, welcher Ruhm?

Soll mir nie ein Strauß gelingen
In dem ernsten Ritterthum?

Wandelt stets, was ich berühre,
Sich in Scherz und Liebe mir?

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Minneglück, das mich verfolget,

Zürn’ ich oder dank’ ich dir?“

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0238.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)