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nur schlecht französisch verstand, brachte sie es zuwege, allen Anwesenden zu verstehen zu geben, er sei ihr Geliebter, ohne daß er selbst es verstehen konnte.

Alle ihre näheren Freunde durchschauten die Komödie längst; aber die ferner stehenden Bekannten wußten noch nichts davon. Von neuem erörterten sie das unerhörte Benehmen Weilbergs. Dieser zog sich abermals zurück und wollte nicht wieder zu ihr kommen.

Felicie legte sich zu Bett und sagte ihrer Mutter, sie wolle den Hungertod sterben. Sie trank von jetzt ab nur noch Tee, stand zwar zu Tisch auf, aß aber gar nichts. Nachdem sie sechs Tage lang bei dieser Lebensweise verharrt hatte, wurde sie ernstlich krank. Man schickte nach Ärzten. Sie erklärte, daß sie sich vergiftet habe, daß sie von niemand gepflegt werden wolle, und daß alles vergeblich sei. Die Mutter und zwei Freunde waren mit den Ärzten bei ihr. Sie sagte, sie stürbe wegen Weilberg, dessen Herz man ihr entfremdet habe. Schließlich bat sie noch darum, man möge ihrem Gatten, der glücklicherweise von der ganzen Geschichte keine Ahnung hatte, diese traurigen Bekenntnisse ersparen.

Endlich willigte sie ein, Medizin zu nehmen. Man gab ihr ein Brechmittel und sie, die seit sechs Tagen nur von Tee gelebt hatte, gab drei bis vier Pfund Chokolade von sich. Ihre Krankheit, ihre Vergiftung waren nichts als eine tüchtige Verdauungsstörung. Ich hatte das vorher gesagt.

Als sie kein Mittel mehr wußte, ihre Mutter zu rühren und sie zu neuen Schritten zu bewegen, um Weilberg in ihr Haus zurückzubringen, drohte sie, ihrem Manne alles zu beichten. Karl, der seiner Frau

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Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_337.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)