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Wir hatten einen Neger unter unseren Leuten. Er erregte viel Aufsehen bei diesem Volke, das zum erstenmal einen Menschen von seiner Hautfarbe sah. Bald war er der Günstling des schönen Geschlechtes, und wir bemerkten, daß die Männer, anstatt auf ihn eifersüchtig zu sein, entzückt waren, wenn sie ihn zu sich kommen sahen. Das Lächerlichste dabei war, daß man im Innern ihrer engen Hütten voreinander nichts verbergen konnte.“


34. Weiteres über die Eifersucht

Die der Unbeständigkeit verdächtige Frau verläßt uns, weil wir die Kristallbildung in ihr gestört haben. Vielleicht ist sie unserer überdrüssig oder zu sicher geworden. Wir haben die Furcht in ihr erstickt, so daß die kleinen Zweifel der glücklichen Liebe nicht mehr erstehen können. Wir müssen sie wieder beunruhigen, dabei uns jedoch besonders vor abgeschmackten Beteuerungen hüten.

In der langen Zeit des Umganges mit ihr haben wir sicherlich bemerkt, auf welche Frau aus der Stadt oder aus der Gesellschaft sie am eifersüchtigsten ist und welche sie am meisten fürchtet. Dieser Frau muß man den Hof machen, aber ja nicht auffällig, sondern möglichst heimlich. Man muß es redlich zu verbergen suchen und nur auf die Augen des Hasses rechnen, die alles sehen und alles merken. Der tiefe Widerwille, den man lange Zeit vor allen Frauen empfinden wird, erleichtert einem die Sache. Man muß sich vergegenwärtigen, daß man in der augenblicklichen Lage durch

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Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_110.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)