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Zwischen 1 und 2 kann ein Jahr vergehen, zwischen 2 und 3 ein Monat; wenn die Hoffnung nicht bald entsteht, verzichtet man unwillkürlich auf 2 wie auf eine Quelle des Unglücks,

Zwischen 3 und 4 ein Augenblick.

Zwischen 4 und 5 überhaupt kein Zwischenraum. Sie können höchstens durch intime Bekanntschaft getrennt werden.

Zwischen 5 und 6 können je nach dem Grad von Ungestüm und der sonstigen Kühnheit eines Charakters ein paar Tage liegen; zwischen 6 und 7 kein Zwischenraum.


5. Kapitel

Der Mensch tut von allen möglichen Dingen immer das, was ihm am meisten Vergnügen bereitet. Erst die Erziehung läßt in uns bei schlechten Handlungen das Gewissen schlagen, so daß die Furcht vor diesem Gefühle dem Bösen die Wage hält.

Die Liebe ist wie das Fieber. Sie entsteht und vergeht, ohne daß der Wille Gewalt darüber hat. Dies ist ein Hauptunterschied zwischen der Liebe aus Galanterie und der Liebe aus Leidenschaft. Hat die Geliebte wirklich gute Eigenschaften, so verdanken wir das nur einem glücklichen Zufall.

Übrigens ist die Liebe in jedem Lebensalter möglich. Ich erinnere an die Leidenschaft der Frau du Deffant für den wenig anmutigen Horaz Walpole. Vielleicht findet sich dafür auch heutzutage manches andere und vor allem liebenswürdigere Beispiel.

Als untrügliche Beweise großer Leidenschaften lasse

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_013.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)