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statt; bei diesem wurde der Rest des alten Turms, der sich wohl wegen der verhältnismässig geringen Mauerstärke und dem übrigens wohlgefügten Bau mit kleineren Kalkbausteinen als zu schwach erwiesen hatte, nicht mehr benützt, sondern es wurde ein neuer Turm mit besserem Baumaterial errichtet und dieser, damit er bei der Verteidigung an der gefährdetsten Stelle der Burg mitwirken könne, so in die Mauerlinie hinausgerückt, dass seine eine Hälfte ausserhalb derselben fiel. Dies ist der jetzt noch stehende Turm aus Buckelquadern von rotem Sandstein. Er ist etwas kleiner als sein Vorgänger, bei 28 m Höhe mit Aussenwänden von 9,50 m und 9,20 m Breite; seine Mauern sind aber gegen Nordost und Südost, also an den zwei Angriffsseiten bei 2,70 m und 2,90 m Stärke dicker als die des letzteren. Auch er spielte noch die Rolle eines Bergfrids. Am Fuss hatte er ursprünglich keine Thür, denn die jetzt hier vorhandene wurde erst in den 1830er oder 1840er Jahren hergestellt, nachdem, wie überliefert wird, 1689 die Franzosen an der betreffenden Stelle vergeblich den Turm zu sprengen versucht hatten. Der ursprüngliche kleine Eingang mit den normalen Kragsteinen unter ihm ist jetzt noch in 9,35 m Höhe zu sehen, und er ist spitzbogig abgeschlossen, also gehört unser jetziger Turm der frühgotischen Periode an.[1] Im Innern ist er zweistöckig; jedes Geschoss ist mit einem Gewölbe überdeckt; die Eingangsthür führte in den zweiten Stock, von dem man in den ersten durch eine Oeffnung im Boden mit Seilen oder Strickleitern gelangte, während dem Dach zu eine hölzerne Treppe führte und noch führt. Das nicht mehr vorhandene Dach erscheint auf den alten kleinen Abbildungen bald mehr, bald weniger hoch. Die untersten Räume des Turms sind jetzt mit Schutt gefüllt; nach alter Durlacher Erinnerung reichten sie sehr tief hinab, man habe damals gerne kleine Steine hineingeworfen und mit Spannung ihr Auffallen erwartet; es war das in den Felsen hineingetriebene „Burgverliess“, wahrscheinlich in der Hauptsache Vorratsraum, zu Zeiten auch wohl Gefängnis. Um den Turm in die Mauerflucht zu rücken, musste in diese eine entsprechende Lücke gebrochen werden; der Bruch ist in der That an den neu aufgefundenen Mauerstücken H, K¹ und O auf beiden Seiten des Turms noch ersichtlich. Man scheint aber zugleich wenigstens einen Teil der Mauer in vielleicht etwas veränderter Richtung neu errichtet zu haben, denn das an die südöstliche Turmwand anstossende Mauerstück ist ersichtlich erst nach dem Bau der Letzteren angefügt. Was überhaupt bei dem gotischen Neubau von der Ruine der alten Burg beibehalten, was neu hinzugefügt wurde, ist um so weniger mehr zu bestimmen, als an den mittelalterlichen Burgen fortwährend, neuen Bedürfnissen entsprechend, Veränderungen vorgenommen zu werden pflegten.

Wie es scheint, hat übrigens die nächste Folgezeit, von welcher leider keine Nachrichten überliefert sind, mehr Zerstörung als Aufbau gebracht und im 17. Jahrhundert, nachdem der Gebrauch der Kanonen der mittelalterlichen Befestigungsweise ihre Bedeutung genommen hatte, dürfte schliesslich in der Hauptsache nur noch der kräftige Turm mit seinen Buckelquadern sich unbeschädigt erhalten haben; wenigstens zeigt das kleine Bild in dem oben besprochenen alten Plan der Gegend aus der Mitte des Jahrhunderts nur diesen und vielleicht etwas Mauerwerk um seinen Fuss; es beweist zugleich, dass der Berg damals noch bewaldet, und die Stadt Durlach noch im Besitz ihrer Stadtmauer und ihrer Türme war; endlich meldet die bemerkenswerte Beischrift, dass die Ruine damals schon nicht mehr den Namen Burg, sondern den bescheideneren der „Durlacher Warte“ führte.


  1. Siehe unser Titelbild, das der Künstlerhand des Herrn Malers H. Petzet in Karlsruhe zu verdanken ist.
Empfohlene Zitierweise:
Ernst Wagner: Die Turmberg-Ruine bei Durlach. G. Braunsche Hofbuchhandlung, Karlsruhe 1895, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Turmberg-Ruine_(Wagner).pdf/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)