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„Man muß wohl nicht mehr da sein, um geliebt zu werden“, sagte ich. „Noch nicht oder nicht mehr: man muß wünschen, um zu lieben. Zu unsern Lebzeiten kümmert sich keiner um unsern Nachlaß.“

„Aber da ist es ja auch kein Nachlaß“, sagte er.

Eine Leitung schien versehentlich noch angeschlossen zu sein – denn nun fuhr ein Blitz aus dem Gehäuse, daß es zischte, und wir machten uns eiligst davon, auf daß er es nicht erführe, der Allwissende.


„Er ist ein Pedant, ein ganz lächerlicher Pedant!“ sagte er.

„Weißt du, wieviel Sternlein stehen …?“ sagte ich. „Gott der Herr hat sie gezählet …“

„Er hat alles gezählet!“ schimpfte er. „Gezählet – das feierliche e, das schon Liliencron nicht leiden konnte, genau so lächerlich wie dieser ganze alte Mann. Alles hat er gezählet … Haben Sie einmal in unser Lebensbuch hineingesehen –?“

„Es war die größte Überraschung, die ich jemals erlebt – nein, die ich jemals gehabt habe“, sagte ich. „Das ist denn doch die Höhe.“

„Nicht wahr? Aufzuschreiben, wie oft man jede einzelne Handlung begangen hat: es ist ja – geisteskrank ist das, das ist ja … das übersteigt denn doch alles an Greisenhaftigkeit, was je …“

„Sie lästern“, sagte ich. „Sie müssen ihn nicht lästern, dann kann dieses Buch nicht erscheinen. Gott ist groß.“

„Gott ist …“

„Nicht, nicht. Natürlich ist es lächerlich. Denken Sie sich: ich habe neulich einmal einen ganzen Nachmittag auf der Bibliothek verbracht und meinen Band durchgeblättert. Er

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Kurt Tucholsky: Mit 5 PS. Ernst Rowohlt, Berlin 1928, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tucholsky_Mit_5_PS_293.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)