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Ausdrücke ersetzt wurde – dass der Dialekt künstlich nachgeahmt, d. h. das Diktat in der Schriftsprache mit beibehaltenen, manchmal auch später eingelegten originellen Redewendungen niedergeschrieben wurde – dass die Auswahl sich lediglich auf die sogenannten Märchen und Lokalsagen beschränkte, alles andere (Träume, Tagesangelegenheiten, Mordgeschichten, Prophezeiungen usw.) unberücksichtigt lassend. Das alles jedoch wiegt nicht schwer genug, um die ersten zwei Bände der Kuldaschen Sammlung zu wissenschaftlichen Zwecken unbrauchbar erscheinen zu lassen. Selbst neben den gleichzeitigen ausländischen Sammlungen wird sie wohl zu den besseren gerechnet werden dürfen. Die späteren drei Bände (von denen der fünfte im »Český Lid« erschienen ist) stammen teilweise von anderen Sammlern und geben die Namen der Erzähler und ihre Wohnung an. Im ganzen ist die Art und Weise der Herausgabe auch der späteren Bände recht altmodisch und dürftig, zeugt jedoch vom besten Willen und einigem Verständnis auch für die wissenschaftliche Verwendbarkeit des zusammengebrachten Materials[1].

Viel vorsichtiger muss man mit den Sammlungen Menšiks umgehen. Dieser hat nach der althergebrachten Weise alles mögliche über die Geschichte einiger Städte, über die Hanaken usw. gesammelt und in seine Sammlung auch zahlreiche Märchen und Sagen aufgenommen. Nur lässt sich leider äusserst schwer feststellen, was davon auf Überlieferung beruht und was bloss anderswoher übernommen wurde. Es ist gewiss sehr vieles einfach aus alten Kalendern usw. übernommen worden, man findet sogar aus Němcová abgeschriebene Stücke ohne Angabe der Quelle. Somit erscheint das Werk Menšiks als ein Haufen von gefährlichem Material, welches erst gesichtet und gesiebt werden müsste, bevor man das übriggebliebene verwerten könnte. Die Sammlungen von Vrána und von Frau Stránecká aus Zentralmähren bedürfen vorerst, obwohl sie keinen so schwer begründeten Verdacht erregen, einer eingehenden Untersuchung. Eine Menge von Sammlungen, wie jene von Václavek aus der Walachei, von Kolář-Kochovský aus der mährischen Slovakei usw. sind für einen fremden Forscher vollkommen wertlos; selbst für einen gründlichen Kenner der čechoslavischen Tradition wird es eine recht


  1. In der mährischen Walachei habe ich versuchsweise im J. 1888 eine Anzahl von prosaischen Stücken gesammelt und später auch selbständig im Národopisný Sbornik (Archiv der čech. Ges. f. Volkskunde) veröffentlicht.
Empfohlene Zitierweise:
Václav Tille: Das čechoslavische Märchen. Crosman & Svoboda, Prag 1907, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tille_Das_%C4%8Dechoslavische_M%C3%A4rchen.djvu/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)