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1. Kapitel.

Der alte Gefangenaufseher Lietzner klapperte heute so vergnügt mit den Schlüsseln, als er vormittags zehn Uhr den langen Flur des Zuchthauses hinabschritt und vor der Tür der Zelle Nr. 108 halt machte.

Er schloß auf. Der Insasse der Zelle erhob sich von seinem Schemel, wie es Vorschrift war.

„Morgen, Herr Bruck,“ sagte Lietzner und nickte dem Gefangenen zu.

Das geschah zum ersten Mal in diesen acht Jahren. Lietzner hielt sich streng an die Instruktion.

Thomas Bruck verharrte in derselben Stellung. Keine Miene seines fahlen Gesichts verzog sich.

Lietzner schüttelte den Kopf.

„Nicht so verbittert sein, lieber Herr Bruck,“ meinte er. „Noch eine halbe Stunde, dann sind Sie frei, dann sind Sie keine bloße Nummer mehr.“

Er streckte ihm die Hand hin. „Ich wünschte, all unsere Zöglinge würden sich so führen wie Sie!“

Bruck übersah die Hand, und der Alte lachte ärgerlich auf.

„Na – wenn Sie nicht wollen! – Kommen Sie mit ins Büro –“ –

Thomas Bruck stand vor dem Direktor des Zuchthauses.

„Ihre Strafe ist vorüber, Bruck,“ sagte der Direktor freundlich. „Bevor Sie nun wieder in das Leben zurückkehren, möchte ich Ihnen noch meine Anerkennung für Ihre musterhafte Führung aussprechen. Leider

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Walther Kabel: Thomas Bruck, der Sträfling. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1923, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Thomas_Bruck,_der_Str%C3%A4fling.pdf/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)