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Während sie langsam zum Schanktisch zurückkehrte, forschte sie in ihrer Erinnerung nach. Und als das Bierglas voll geschenkt war, wußte sie Bescheid. Sie brachte das Glas und setzte sich unaufgefordert neben Bruck.

„Wohl bekommts, Herr Rechtsanwalt!“ sagte sie leise.

„Haben Sie mich wirklich erkannt, Mutter Kamlack!“ Er gab ihr die Hand.

„Und ob! Ihr Gesicht vergißt man nicht. – Wie alt Sie geworden sind!“ – Sie dachte nach. „Ja – Ihre acht Jahre müssen rum sein –“

„Stimmt, Mutter Kamlack. Ich bin wieder frei. Daß mich aber jeder sofort erkennt, paßt mir nicht. Wie steht’s mit so was?“ Und er tippte mit dem Zeigefinger auf den kahl geschorenen Kopf und fuhr sich mit demselben Finger über die Wangen und das Kinn.

„Perücke und Bart?“ fragte Mutter Kamlack geschäftsmäßig. “Hm – also beides!“ Sie drehte sich halb um und musterte die Kartenspieler, rief dann: „He, Schniegel-Otto, eenen Momang mal!“

Der hagere Mensch mit dem Monokel, dessen Gesicht und ganze Aufmachung eine gewisse Vornehmheit verrieten, stand auf und trat näher, verbeugte sich lässig vor Bruck, stutzte und rief gedämpft:

„Herr Rechtsanwalt – Sie – Sie?!“

Bruck nickte nur. Er war leicht gerührt. Ausgerechnet hier fand er zwei Menschen, die sich ebenso ehrlich freuten, ihn wiederzusehen, wie Ulla Kresten sich gefreut hatte.

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Walther Kabel: Thomas Bruck, der Sträfling. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1923, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Thomas_Bruck,_der_Str%C3%A4fling.pdf/42&oldid=- (Version vom 1.8.2018)