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Ah – unverschlossen.

Er stieß sie auf.

Das Licht einer matten blauen Ampel bestrahlte ein elegantes Damenschlafgemach. In der Mitte ein breites Bett – rot Mahagoni, wie alle Möbel hier.

Noch einen Schritt tat Bruck. Dann sah er Ulla Kresten. Sie lag quer über dem Bett auf der Spitzendecke, lag da mit geschlossenen Augen – mit einem Ausdruck wahnwitzigen Entsetzens in dem starren Gesicht.

Thomas Bruck fühlte, wie ihm die Knie bebten, wie seine Nerven zu versagen drohten.

Er krallte die Hände zu Fäusten, drückte die Nägel in die Haut.

Und – ging auf das Bett zu, beugte sich über das Mädchen.

Kein Heben und Senken der Brust mehr – kein Atemzug.

Und dort – dort in dem schlichten blauen Seidenkleid an der Stelle des Herzens zwei Schnitte – zwei schmale Löcher.

Bruck überlief ein Eiseshauch.

Mord – ermordet etwa?! Und er – er, der erst gestern entlassene Sträfling hier in diesem leerem Hause!

Fort von hier! Fliehen – nur fort! Nur nicht abermals hineinverwickelt werden in einen Mordprozeß, nur nicht zum zweiten Mal all die Qualen durchmachen müssen, sich schuldlos zu fühlen und doch verurteilt zu werden!

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Walther Kabel: Thomas Bruck, der Sträfling. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1923, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Thomas_Bruck,_der_Str%C3%A4fling.pdf/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)