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„Jetzt habe ich Interesse – auch für Dein Leid, Ulla Kresten!“ dachte er mit bösem Lächeln. „Vielleicht hat man Dir genau so übel mitgespielt wie mir!“

Er hob das zum dritten Male gefüllte Glas.

„Es lebe die Rache! Mörder und Diebin – ein feines Gespann!“ –

„Unser Fräulein läßt den Herrn in den Salon bitten,“ sagte die Zofe eine Viertelstunde später.

Er stand elastisch auf. Die neugierigen Blicke des Mädchens, das ihn fast ungezogen musterte, verrieten deutlich das namenlose Erstaunen über sein verändertes Aussehen. Sie öffnete die andere Tür des Zimmers, die in einen fast leeren Raum führte, der durch einend großen Flügel zur Hälfte ausgefüllt wurde, wies auf die gegenüberliegende Tür und blieb zurück.

Ulla Kresten rief „Herein!“ Sie hatte inzwischen ein dunkles Hauskleid aus blauer Seide angelegt, dessen hoher Kragen ihr früh verblühtes Gesicht mit den vielen Fältchen um Mund und Augen etwas voller und frischer erscheinen ließ. Die Vorhänge der Fenster waren geschlossen, und die Lichtfülle von sechs matten Glühbirnen der Deckenlampe zeigte dem eintretenden Gast sofort die grausamen Spuren, die das Leid und die Verzweiflung in dieses Frauenantlitz eingegraben hatten, das damals vor so und so viel Jahren mit seinen weichen Linien und seinem wundervollen Pfirsichteint den Neid der geschminkten Baronin Salbing ständig wachgerufen und ihre Schroffheit gegenüber dem bescheidenen jungen Mädchen noch vermehrt hatte.

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Walther Kabel: Thomas Bruck, der Sträfling. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1923, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Thomas_Bruck,_der_Str%C3%A4fling.pdf/21&oldid=- (Version vom 1.8.2018)