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Früchten erwachsen werden, schon hier auf eine liebliche Weise kund taten. Ich habe manche schöne Viertelstunde an ihrem Krankenbett zugebracht (auf dem sie elf Wochen gelegen), denn Herr Pfarrer hat mich mit meiner lieben Freundin Anna Hein zu diesem Kind geschickt, als wir ihn baten, auch Krankenbesuche machen zu dürfen. Zweimal war er selbst mit uns dort. O wie herrlich war das! Seit ich Krankenbesuche mache, freue ich mich noch mehr auf jeden Sonntag; denn es gibt nicht leicht ein Mittel, das unser inwendiges Leben so fördern kann; das Wort Gottes, das wir den andern sagen, erweist sich in seiner wunderbaren Kraft, indem es auch auf uns selbst zurückfällt.

 Weil ich nun von meinen Krankenbesuchen rede, so kann ich nicht anders als auch diejenige erwähnen, mit der ich dieselben gewöhnlich mache. Es ist meine liebe, schon vorhin erwähnte Anna. Wie viel hat mir der liebe Gott geschenkt, indem Er sie mir als Freundin zuführte! Sie ist so weit gefördert auf dem Heilsweg, daß ich in ihrem Umgang auch emporgezogen werde.

 Ich möchte Sie bitten, mir Noten zu schicken (d. h. Papier), denn Herr Güttler lehrt uns jetzt so schöne Lieder, die aber nicht im Gesangbuch stehen und deshalb abgeschrieben werden müssen. ...Könnten Sie mir nicht auch eine kleine Arbeit sagen, die ich ohne große Kosten machen könnte? Wir sollen nämlich Arbeiten machen, welche die vielen Fremden, die immer kommen, als Andenken mitnehmen dürfen...

 O liebste Mutter, was haben wir in der letzten Zeit wieder für herrliche Stunden gehabt! Die Abendstunden (von 6 bis 7 Uhr) sind so belehrend, daß gewiß viel gelehrtere Leute, als wir sind, noch Nutzen davon haben könnten, und die schönen Morgenstunden! Da faßt man mehr mit dem Gemüt als mit dem Verstand und sucht alles gleich ins Leben zu übertragen, was man gelernt. Die drei letzten Stunden handelten „von der seligen Feier des heiligen Abendmahls“. Ich möchte Ihnen wohl davon mitteilen, aber wenn Sie schon durch mündliches Erzählen nur ein schwaches Echo hätten von Herrn Pfarrers Reden, so ist dies noch viel mehr beim schriftlichen der Fall. – O ich will nun mit Ernst darnach streben, daß mein ganzes Leben fortan ein steter Wechsel zwischen Genuß und Vorbereitung wird, denn der Christ soll von Sakrament zu Sakrament

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Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/46&oldid=- (Version vom 17.10.2016)