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Lagny. Wie gut wird auch ihnen wieder heilige Regel und Ordnung sein nach dem entfesselnden Kriegsleben!

 Was soll ich von Herrn Pfarrers Befinden schreiben? Gottes Wege sind wunderbar und heilig, aber schwer und dunkel für den trüben Blick unserer sterblichen Augen. Ich hätte mir auf der Welt nichts Schmerzlicheres ausdenken können, als was ich erlebe und vielleicht erleben werde. Bald kommt mir das ganze Leben nur noch wie eine große Tragödie vor, die sich nacheinander abspielt. Aber wir haben ja mitten in dem trüben Gewirre einen festen Anker, und den will ich treu und fest halten in aller Not. Der große Schmelzer schmelze nur zu und schmelze hinweg, was vor Seinen Augen nicht gut ist, – wenn Er uns nur dann geläutert und gereinigt in Sein ewiges Heiligtum eingehen lassen kann...

Deine dankbare Therese.


An die Mutter.
Neuendettelsau, den 1. April 1871

 Liebste Mutter, denke Dir, Herrn Pfarrer geht es heute über Erwarten gut. Er hat eine gute Nacht gehabt, ist sehr munter und wird allem Anschein nach demnächst sich wieder in die Arbeit begeben. Freilich mischt sich in die Freude, daß wir ihn nun doch noch eine Weile behalten dürfen, auch viel Sorge und Bangigkeit; denn jedenfalls hat ihn der neue Anfall wieder bedeutend geschwächt. Doch wir gehen eben an der guten Hand des Herrn von einem Tag zum andern. Einmal wird ja doch alles gut werden.

 Ich kann nur wenig schreiben. Es geht das neue Semester an. Es muß ja doch alles seinen Gang fortgehen...

Deine Therese.


An die Mutter.
Neuendettelsau, den 16. April 1871

 Liebste Mutter, schönen Dank für Deinen lieben Brief. Also Herr Pfarrer hat heute konfirmiert und diese Woche über sehr viel getan. Wenn nur nicht jetzt wieder die Kraft zusammenbricht! Ich mußte heute so oft bei der Feier

Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/200&oldid=- (Version vom 20.11.2016)