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 Ein Bahnbeamter kam hereingelaufen und berichtete, acht Wagen seien „durchgebrannt“ in der Richtung nach Hagenau hin und einer gegen Winden zu. – Wir saßen bis nachts 1/21 Uhr da. Dann führte man uns barmherzig in eins der Bureauzimmer, wo wir versuchen konnten, ein wenig zu schlafen. Ein paar von uns streckten sich auf dem Boden aus, andere setzten sich einfach auf die hölzernen Stühle. Das Regentuch, mit dem die Glastür verhängt war, wurde wieder abgenommen, weil die Betreffende es nicht entbehren konnte. Da guckten die Soldaten einer nach dem andern herein, die interessante Konstellation zu beobachten. Wir hörten am anderen Morgen, die Soldaten hätten drüber ihren Dienst versäumt. – Um 1/23 Uhr nachts klopft’s, wir sollen kommen. Schnell eilen wir hinaus. Es geht auf einem ganz schmalen Weg zwischen zwei Eisenbahnzügen in der dunklen Nacht. Noch wußten wir nicht recht, wohin wir geführt wurden. Da heißt’s endlich, unser Zug sei gekommen. Mit Freuden begrüßten wir unser Coupé wie eine liebe Heimat und richteten uns nächtlich ein. – Unser Zug ist nun mit einem Württemberger Spitalzug zusammengehängt und ist deshalb ganz ungeheuer lang. Bei dem Württemberger sind Barmherzige Schwestern. Die Einrichtungen sind noch schöner und bequemer als bei dem unsrigen. – Die wichtigste Station am gestrigen Tage war Hagenau, eine kleine Festung. Da sahen wir Turkos, einen Zuaven und französische Soldaten. Alles spricht noch deutsch, aber ein solches Lumpengesindel erscheint am Bahnhof und bietet Speisen an, daß es einem graut. Nun, wir kaufen ja nichts, weil unser Zug alles bei sich hat. Wir fuhren gestern noch bis Wendenheim und erhielten dort die Nachricht, daß wir erst am 31. Oktober weiter könnten. Schrecklicher Gedanke! Ich dachte aber, Gott wird uns schon weiter lassen, wenn auch die preußischen Bahnbeamten nicht. Wir schliefen noch recht gut in unserm bretternen Haus, und heut morgen heißt es, wir können bis Saverne weiter. (Ich weiß nicht, ob der Eisenhammer noch dort ist; das Gedicht paßt jedenfalls nicht mehr, weil man Zabern sagen muß. Da reimt sich’s nicht.) Herr Hauptmann und Herr Professor Herz sind aber doch nach Straßburg gereist, damit wir in Saverne nicht aufs neue aufgehalten sind. Es muß eben in einem fort

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Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/194&oldid=- (Version vom 20.11.2016)