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in einem dunklen Loch, atmeten starke Chlordämpfe ein und schnappten nach Luft. Nach ein paar Minuten wurde unser dunkler Arrest wieder geöffnet, und wir fragten nun, weshalb uns denn solches widerfahren wäre. Die Rinderpest sei in diesem Ort gewesen, hieß es, und jeder, der ein- und ausgeht, wird zur Vorsicht geräuchert.

 „Sehens, wenns ans andere End gehen, da müssens wieder nein.“ Wir hatten genug an einmal und wollten nur noch in die Kirche gehen, die zugleich den Protestanten und Katholiken dient, weil das Dorf Leute von beiden Konfessionen hat. Beim Schullehrer gab man uns einen Brief vom katholischen Pfarrer zu lesen, der als Feldkaplan mit nach Frankreich ist. Er schreibt, daß er wohl den Winter über im Feindesland dienen werde. Er erzählte, wie die Franzosen anfangs alle Deutschen „Prussiens“ genannt hätten, jetzt aber anfingen, einen großen Unterschied zu machen, zwischen Prussiens und Bavarois zu gunsten der letzteren. „Ah, les Bavarois, nous les aimons, ils sont gentils.“ Die Preußen machten sich durch allzu unverschämte Forderungen verhaßt. Nun hatten wir eine volle Stunde zurückzukehren, und unser Spitalzug hatte unterdessen Ordre bekommen weiter zu fahren. Man hatte uns gesucht und über uns raisonniert. Die Räucherungsgeschichte aber gab uns reichen Stoff zu Witz und Gelächter. Wir dankten Gott, daß wir wieder da waren, und nahmen uns vor, nicht wieder par force etwas erleben zu wollen.


Den 28. Oktober zwischen Brumath und Saverne.

 Vorgestern erlebten wir doch wieder etwas. Herr Dr. Riedel forderte uns auf mit nach Weißenburg zu fahren auf ein paar Stunden und abends wieder zurückzukehren. Fünf von uns gingen mit. Wir kauften uns zuerst in einem Laden Gummischuhe und wollten dann etwas sehen. Die Stadt ist in hohem Grad unansehnlich, kein bißchen schön, die Bevölkerung macht den Eindruck der Verkommenheit. Wir gingen in die Kirche und waren überrascht über den wunderschönen gotischen Bau. Sie war ein wenig beschädigt, ein einziges von den prachtvoll gemalten Fenstern war zertrümmert. Ein Freskogemälde

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Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/192&oldid=- (Version vom 20.11.2016)