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hat ja Marianne nach Karlsbad gebracht. Am Mittwoch vor Ostern kam das Reskript vom Oberkonsistorium mit der Bestätigung unseres Hausgeistlichen. Herr Pfarrer ist nun nicht mehr der Hirte der Diakonissengemeinde!!! Es ist mir eine wunderliche Lebensführung, dies neue Stadium. So glücklich sind wohl wenige hier gewesen wie ich, so ganz glücklich! Und was mich glücklich machte, das war diese geordnete Seelenführung, dies sichere Weiden unter einem solchen Hirtenstabe. Nun ist’s dahin, und es ist mir wie ein Stück Sterben, daß ich die neue Wendung fassen und mich dreinfinden und gar fröhlich dabei sein soll. Dennoch will ich’s und weiß, daß ich aus dieser Predigt dann mehr gelernt als aus den vielen, die ich aus Herrn Pfarrers Munde gehört. Ich muß auch dies ganze geistliche Gebiet als etwas dennoch Menschliches fassen lernen und es hingeben können. So schwer ist mir noch nichts im Leben geworden. Hilf mir aber, liebste Muter, durch Deine Fürbitte diese Aufgabe lösen, von der ich ja zu Dir und zu Adolf reden darf, wenn ich auch in anderen Briefen vorsichtig sein muß, weil man es uns ja verdenkt, daß wir es „Herrn Konrektor schwer machen“. ...In dankbarer Liebe

Deine Tochter Therese.


An die Mutter.
Neuendettelsau, den 25. Juli 1865

 Meine liebste Mutter, ...vielleicht gehe ich doch auch in den nächsten Ferien ein wenig fort. Mitte September sind sie. Ich hatte ein sehr angreifendes Semester diesmal. Doch bin ich ganz gesund. Nur immer gegen das Ende muß ich mich vor mir selber fürchten, weil da gewöhnlich eine physische Mattigkeit über mich kommt, mit der eine gänzliche Mutlosigkeit zusammenhängt, so daß ich mich sehne, nicht mehr lehren zu dürfen. Und doch muß ich das als meinen Lebensberuf erkennen, weil nun einmal meine wenigen einseitigen Gaben dahin gehen.

 Hast Du Dich nicht recht über Babette Dieterich[1] gewundert? Es ist bei uns eine allgemeine Klage, daß wir sie verloren haben. Wieviel tausendmal leichter geht doch eine Diakonisse


  1. Schwester Babette Dieterich heiratete Dr. Alfred Riedel.
Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/153&oldid=- (Version vom 10.11.2016)