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Dann ist’s mit dem lieblichen Rettungshausleben hier für immer aus. Sie wird zwar sicherlich wieder einmal hieher kommen, das hat Herr Pfarrer schon gesagt. Aber nun müssen wir doch wohl für eine gute Weile getrennt bleiben. Und auch bei mir soll in die Gleichförmigkeit meines Berufes eine Anregung kommen, eine ganz aparte. Ich soll mit Schwester Amalie in ungefähr acht Tagen den Bettelsack umhängen und terminieren gehen! Es ist nämlich so: Herr Pfarrer hat immer neue, große Ideen. Das ist eine bekannte Sache. So will er nun, daß wir hier allen Kranken und Elenden unserer Gegend dienen und zwar unentgeltlich. Der ganze Distrikt Kloster Heilsbronn hat das Recht, seine armen Kranken hieher zu schicken ins „Distriktshospital“. Die werden dann von uns gratis verpflegt. Dafür aber gehen zweimal jährlich zwei Diakonissen in all den Ortschaften herum (es sind über 100) und – betteln, betteln aber nicht fürs Diakonissenhaus, sondern lediglich für die Armen und Kranken, die wir aufgenommen haben. Mit Kloster Heilsbronn wird angefangen, und dazu sind wir einstweilen erkoren. Ich freue mich schon auf die ungewohnte Charge. Bilder und Traktate will uns Herr Pfarrer aufpacken und uns genau instruieren. Er hofft nämlich von dieser Mission recht viel für unsere Gegend, wo so vielfach ein großartiges Ignorieren unseres ganzen schönen Werkes herrscht.... Marianne Löhe ist immer noch so leidend. Es ist ein großer Jammer. Schwester Doris Braun[1] ist jetzt Oberschwester in der Blödenanstalt und regiert das neue, große Haus, bäckt Kuchen, läßt Schmalz aus, kauft Eier ein, wurde von den Blöden begrüßt mit dem geistvollen Ruf: a Neia! a Neia! ...Schwester Marie Regine Braun ist Herrn Pfarrers Geheimsekretär[2].

 Gestern ist Prinzessin Elise wieder abgereist. Sie war einen Tag hier. Sie hat mir ein wunderzierliches Büchlein machen lassen, außen mit Goldbuchstaben meinen Namen, und inwendig hat sie mir eine Sammlung Lieder eingeschrieben, vier von der heiligen Theresia...

Deine Theresia.



  1. „Lebensläufe“ S. 162 ff.
  2. Korr.-Bl. 1898, Nr. 3/4.
Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/149&oldid=- (Version vom 10.11.2016)