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Zur Einführung


Aus persönlichen Aufzeichnungen
von Frau Oberin Therese Stählin


 „Ich bin in Westheim bei Wassertrüdingen am 22. Dezember 1839 geboren, am vierten Adventssonntag, während mein Vater Christenlehre hielt. Ich war das vorletzte Kind von vierzehn Geschwistern, sieben Brüdern und sieben Schwestern. Mein Tauftag ist der 2. Januar. Mein Vater kam bald von Westheim nach Weiltingen. Dort wurde unsere jüngste Schwester Marie geboren. Mein Vater brachte mich schon sehr früh in die Schule, noch ehe ich eigentlich ein Verständnis dafür hatte.

 Als ich fast dreizehn Jahre alt war, brachte mich meine Mutter nach Augsburg zu meiner Schwester Ida, die dort an Professor Gürsching verheiratet war. Dort durfte ich das von Stetten’sche Institut besuchen und hatte das Glück, von Herrn Kirchenrat Bomhard senior Konfirmandenunterricht zu empfangen. O wie mich diese Stunden freuten! Am 9. April 1854 wurde ich von Herrn Kirchenrat konfirmiert.“

 „Ich war erst kurze Zeit in das Stetten’sche Institut als externe Schülerin eingetreten, da wurde unsere große Familie durch ein erschütterndes Ereignis gewaltig bewegt. Es war am 24. Dezember 1852, da durchzog Weiltingen die Nachricht, es sei in der Nähe von Untermichelbach ein toter Jüngling gefunden worden. Zwei Brüder machten sich sofort auf den Weg und fanden unsern jüngsten Bruder Ludwig als Leiche. Er war auf dem Weg vom Ansbacher Gymnasium nach Weiltingen plötzlich von Gott in die Ewigkeit gerufen worden. Noch kurz ehe der Tod ihn ereilt haben muß, trennte er sich von einem Freunde, der ermüdet war, während Ludwig versicherte, gar keine Müdigkeit zu spüren. Die Todesursache ist niemals nachzuweisen gewesen. Ludwig war ganz gesund, und kein äußeres Ereignis führte das Ende herbei. Der Vater hielt ihm die Leichenpredigt über: „Seine Seele gefiel Gott wohl, darum eilte er mit ihm aus diesem Leben.“

 An der Stätte seines Todes wurde ein Kreuz errichtet.


Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Meine Seele erhebet den Herrn. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1957, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Meine_Seele_erhebet_den_Herrn.pdf/10&oldid=- (Version vom 17.10.2016)