Am folgenden Nachmittag wanderten Reinhardt und
Elisabeth jenseit des Sees bald durch die Hölzung, bald
auf dem hohen vorspringenden Uferrande. Elisabeth
hatte von Erich den Auftrag erhalten, während seiner
und der Mutter Abwesenheit Reinhardt mit den schönsten
Aussichten der nächsten Umgegend, namentlich von
der andern Uferseite auf den Hof selber, bekannt zu
machen. Nun gingen sie von einem Punkt zum andern.
Endlich wurde Elisabeth müde, und setzte sich
in den Schatten überhängender Zweige, Reinhardt stand
ihr gegenüber an einen Baumstamm gelehnt; da hörte
er tiefer im Walde den Kuckuck rufen, und es kam
ihm plötzlich, dies Alles sei schon einmal eben so gewesen.
Er sah sie seltsam lächelnd an. Wollen wir
Erdbeeren suchen? fragte er.
Es ist keine Erdbeerenzeit, sagte sie.
Sie wird aber bald kommen.
Elisabeth schüttelte schweigend den Kopf; dann stand sie auf, und beide setzten ihre Wanderung fort; und wie sie so an seiner Seite ging, wandte sein Blick sich immer wieder nach ihr hin; denn sie ging schön, als wenn sie von ihren Kleidern getragen würde. Er blieb oft unwillkürlich einen Schritt zurück, um sie ganz und
Theodor Storm: Sommergeschichten und Lieder. Duncker, Berlin 1851, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Storm_Sommergeschichten_und_Lieder.djvu/97&oldid=- (Version vom 1.8.2018)