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und eine dunkle Gestalt schwankte die breite, matt erleuchtete Treppe herauf. Reinhardt trat in den Häuserschatten, und ging dann rasch vorüber. Nach einer Weile erreichte er den erleuchteten Laden eines Juweliers; und nachdem er hier ein kleines Kreuz von rothen Korallen eingehandelt hatte, ging er auf demselben Wege, den er gekommen war, wieder zurück.

Nicht weit von seiner Wohnung bemerkte er ein kleines, in klägliche Lumpen gehülltes Mädchen an einer hohen Hausthür stehen, in vergeblicher Bemühung sie zu öffnen. Soll ich dir helfen? sagte er. Das Kind erwiderte nichts, ließ aber die schwere Thürklinke fahren. Reinhardt hatte schon die Thür geöffnet. Nein, sagte er, sie könnten dich hinausjagen; komm mit mir! Ich will dir Weihnachtskuchen geben. Dann machte er die Thüre wieder zu und faßte das kleine Mädchen an der Hand, das stillschweigend mit ihm in seine Wohnung ging.

Er hatte das Licht beim Weggehen brennen lassen. Hier hast du Kuchen; sagte er, und gab ihr die Hälfte seines ganzen Schatzes in ihre Schürze, nur keine mit den Zuckerbuchstaben. Nun geh nach Haus und gieb deiner Mutter auch davon. Das Kind sah mit einem scheuen Blick zu ihm hinauf; es schien solcher Freundlichkeit ungewohnt und nichts darauf erwidern zu können. Reinhardt machte die Thür auf und leuchtete ihr, und

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Theodor Storm: Sommergeschichten und Lieder. Duncker, Berlin 1851, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Storm_Sommergeschichten_und_Lieder.djvu/74&oldid=- (Version vom 1.8.2018)