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Da stand das Kind am Wege.


Weihnachtabend kam heran. — Es war noch Nachmittags, als Reinhardt mit andern Studenten im Rathskeller am alten Eichentisch zusammen saß. Die Lampen an den Wänden waren angezündet, denn hier unten dämmerte es schon; aber die Gäste waren sparsam versammelt, die Kellner lehnten müßig an den Mauerpfeilern. In einem Winkel des Gewölbes saßen ein Geigenspieler und ein Zittermädchen mit seinen zigeunerhaften Zügen; sie hatten ihre Instrumente auf dem Schooß liegen und schienen theilnahmlos vor sich hin zu sehen.

Am Studententische knallte ein Champagnerpfropfen. Trinke, mein böhmisch Liebchen! rief ein junger Mann von junkerhaftem Aeußern, indem er ein volles Glas zu dem Mädchen hinüberreichte.

Ich mag nicht, sagte sie, ohne ihre Stellung zu verändern.

So singe! rief der Junker, und warf ihr eine Silbermünze in den Schooß. Das Mädchen strich sich langsam mit den Fingern durch ihr schwarzes Haar, während der Geigenspieler ihr ins Ohr flüsterte; aber sie warf den Kopf zurück, und stützte das Kinn auf ihre Zitter. Für den spiel’ ich nicht, sagte sie.

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Theodor Storm: Sommergeschichten und Lieder. Duncker, Berlin 1851, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Storm_Sommergeschichten_und_Lieder.djvu/68&oldid=- (Version vom 1.8.2018)