ging Elisabeth an dem Wall entlang und sammelte den ringförmigen Samen der wilden Malve in ihre Schürze; davon wollte sie sich Ketten und Halsbänder machen; und als Reinhardt endlich trotz manches krumm geschlagenen Nagels seine Bank dennoch zu Stande gebracht hatte und nun wieder in die Sonne hinaustrat, ging sie schon weit davon am andern Ende der Wiese.
Elisabeth! rief er, Elisabeth! und da kam sie, und ihre Locken flogen. Komm, sagte er, nun ist unser Haus fertig. Du bist ja ganz heiß geworden; komm herein, wir wollen uns auf die neue Bank setzen. Ich erzähl’ dir etwas.
Dann gingen sie beide hinein, und setzten sich auf die neue Bank. Elisabeth nahm ihre Ringelchen aus der Schürze und zog sie auf lange Bindfäden; Reinhardt fing an zu erzählen: Es waren einmal drei Spinnfrauen — —
Ach, sagte Elisabeth, das weiß ich ja auswendig; du mußt auch nicht immer dasselbe erzählen.
Da mußte Reinhardt die Geschichte von den drei Spinnfrauen stecken lassen, und statt dessen erzählte er die Geschichte von dem armen Mann, der in die Löwengrube geworfen war. Nun war es Nacht; sagte er, weißt du? ganz finstere, und die Löwen schliefen. Mitunter aber gähnten sie im Schlaf und reckten die
Theodor Storm: Sommergeschichten und Lieder. Duncker, Berlin 1851, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Storm_Sommergeschichten_und_Lieder.djvu/56&oldid=- (Version vom 1.8.2018)