Seite:Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Von Alfred Jensen (1916).djvu/52

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

kost mein Herz mir milde,
und ich werde euch begrüßen,
trauernd im Gefilde …“[1]

Im Gefängnis will er geduldig warten, bis die Sonne der Freiheit ihm erstrahlt und wenn auch jene Wildnis ihn dem Tode nahe bringt, so hofft er doch noch, daß

„von meinem heil’gen Dnipróflusse
nur eine Handvoll Heimaterde
hierher die heil’gen Winde bringen“.

Ein glücklicher Zufall brachte indessen Abwechslung in das eintönige Dasein des Verbannten. Im Jahre 1848 wurde unter der Leitung des Marinekapitäns A. Butakoff eine Expedition an den Aralsee („Tingis Aral“, wie die Kirgisen ihn nennen) ausgerüstet, an der teilzunehmen Schewtschenko gestattet wurde (1848–1849), was körperlich und seelisch sehr vorteilhaft auf ihn einwirkte. Er gewann neue Eindrücke und sein Talent als Zeichner kam ihm sehr zu gute. Aus dieser Zeit stammen ungefähr 70 Gedichte, die zumeist auf der Insel Kos-Aral verfaßt wurden, gegenüber der Mündung des Sir Darja-Flusses und die erstaunen machen durch die Mannigfaltigkeit der Ideen. Zur Weihnachts- und Osterzeit gedenkt er der Sitten seiner Heimat.

In einer Epistel an seinen Freund Lasarewskyj schildert er den Gegensatz zwischen der ukrainischen Weihnachtsfeier und der am Aralsee.

„Wenn du mitternachts vom Haus des Gevatters heimkehrst
und dich schlafen legst, da brauchst du meiner nicht zu denken,
lieber Bruder! – Aber wenn die Trauer dir als Gast naht,
um auch nachts bei dir zu nisten, dann zu Rat, o Bruder,
zieh mich, der da weilt gefangen fern von dir am Meere.
Dann des Unglücksfreundes denke, der mit Elend ringend
muß die schmerzerzeugten Dumen[2] bergen und sein Herzweh;
der so hin und wieder wandelt und zum Himmel betet
eingedenk der Ukraina nur und, Freund, auch deiner;
den auch manchmal leider Gram, nicht schwerer, hält befangen;
der nur darum blaß ist, weil sich draußen naht die Feier.


  1. Übersetzt von O. Hrycaj.
  2. d. h. Gedicht.