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meine Ukraine! werde ich je von dieser Wüste heimkehren oder muß ich hier vergehn? Die Stunden fließen dumpf dahin, als wären sie Monate und Jahre und ich benetze gar oft mit blutigen Tränen mein Bett. Daß ich nicht hinsterbe in fremdem Lande als Verbannter, das walte Gott …“

Doch gerade der Gedanke an die Heimat hält ihn aufrecht und die Erinnerung an das alte freie Kosakentum wärmt sein Gemüt. „Wenn die Sonne untergeht und die Berge sich verdüstern, wenn die Vögel zu singen aufhören und das Feld verstummt, erfreuen sich andre Menschen der Ruhe; ich aber, ich spähe in die Ferne und fliege im Geiste nach dem dunkeln Gärtchen der Ukraine.“ Und in dem Gedichte „Ein Traum“ dünkt es ihn, als wäre er an den Dnipró versetzt und überblicke vom Bergeshügel bei Trachtemyr, der ehemaligen Hauptstadt der Saporoger, das Hetmanenland. „Ich liebe meine arme Ukraine so sehr, daß ich für sie sogar Gott selber lästern könnte und meine Seele so verlöre.“ „Allein einstweilen“ – heißt es in einem andern Gedicht – „liebet einander, ihr Brüder! Liebet die Ukraine, betet zu Gott für die Unglücklichen und gedenket auch mitunter meiner, wie grausam man mich als Sklaven behandelt!

Vor allem aber findet er in der Dichtung selbst den besten Trost. Schon in seinem ersten Gedicht aus Orsk heißt es wörtlich:

„Meine Lieder,[1] die ihr einzig
noch mit mir im Bunde,
laßt mich, laßt mich nicht allein sein
in der bösen Stunde!
Schwebt daher, ihr grauen Täubchen,
von der grünen Küste
des Dnipró daher, ihr Lieben,
in die ferne Wüste …
Mit Kirgisen euch zu tummeln!
Arm sind die, in Nöten,
doch sind noch frei und pflegen
noch zu Gott zu beten …
Also schwebt daher, ihr Lieben,


  1. Richtiger: Gedanken.