Seite:Taras Schewtschenko. Ein ukrainisches Dichterleben. Von Alfred Jensen (1916).djvu/50

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wenn Leute, die ich bitter hasse,
arglist’gen Sinns mein Heimatland
in Schlaf versenken, es beschleichen, …
das ahnungslose wecken in dem Brand …[1]

Das nächste Ziel Schewtschenkos war Orenburg, 2105 Werst von Petersburg entfernt, und schon acht Tage später, am 8. Juni 1847, befand er sich 265 Werst östlich von Orenburg in der Festung Orsk, die an der Mündung des Or in den Uralfluß gelegen ist. Hier begann seine mehr als zehnjährige Verbannung. In dem Urteilsformular war vorgemerkt, daß der Soldat T. Schewtschenko „des Lesens und Schreibens kundig“ sei. In einem Briefe an die Fürstin Repnin im Herbst des gleichen Jahres schreibt Schewtschenko: „Stellen Sie sich vor einen groben Garnisonssoldaten mit zerzausten Haaren, unrasiert und mit ungeheuerlichem Knebelbart, dann haben Sie mein jetziges Bild. Wohl ist es wahr, daß ich in meinem Leben nicht wenig gelitten habe, aber meine frühern Leiden waren im Vergleich mit den gegenwärtigen kindliche Tränen …“ Und drei Jahre später schrieb er an seine hochgestellte Freundin: „Heute würden Sie den naiv begeisterten Poeten nicht wieder erkennen. Ich habe nunmehr beinahe keinen Kummer, keine Freuden. Ich habe angefangen, gar zu vernünftig zu werden. Jetzt fühle ich eine seelische Ruhe, die an Fischblütigkeit gemahnt.“

Die 25 Gedichte, die Schewtschenko in Orsk niederschrieb, geben über seine damalige geistige Verfassung den besten Aufschluß. Besonders bezeichnend ist in dieser Hinsicht das poetische Schreiben, welches er seinem Freunde Kosatschkowskyj widmete: „Wie ein Dieb schleiche ich mich sonntags hinter die Festungswälle hinaus, suche die vom Schnee entblößten Stellen auf und wandre auf der Steppe längs des Uralflusses, als ob ich in die Freiheit zöge; allein es gibt hier nur rotgelbe, von der Sonne verbrannte Sanderde und die Sehnsucht nach den blauen und grünen Wiesen, den hohen Kurhanen und den warmen Wäldern der Ukraine wird also immer heftiger. O mein Schatz,


  1. Übersetzt von A. Popowicz.