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Die Ukraine wird eine unabhängige Republik im slawischen Bunde sein. Dann werden die Völker auf die Stelle zeigen, wo die Ukraine auf der Karte bezeichnet ist: Der Stein, den die Bauleute verwarfen, er ist zum Eckstein geworden.“

Kostomarow wurde mit Schewtschenko 1846 bekannt. „In dieser Zeit“ – schrieb ersterer – „war meine ganze Seele mit der Idee von der slawischen Wechselseitigkeit und von der Gemeinschaft der slawischen Stämme beschäftigt und sobald ich das Gespräch mit Schewtschenko auf diesen Gegenstand lenkte, erfuhr ich von seiner Seite die wärmste Sympathie und das näherte mich Taras Hryhorowytsch mehr als etwas andres.“

Durch Kundschafterei und Denunziation des Studenten Alexander Petrow wurde diese in der Tat recht harmlose „Verschwörung“ entdeckt und, gemäß einem Befehl des Generalgouverneurs Bibikoff, ließ der Gendarmeriechef Graf Orloff die Hauptteilnehmer an ihr verhaften: Kostomarow, Hulak,[1] Kulisch, Biloserskyj u. a. Schewtschenko spielte in dieser Angelegenheit tatsächlich eine unwesentliche Rolle. Kostomarow behauptete, Schewtschenko hätte sich sofort bereit erklärt, in den Verband einzutreten; Kulisch wiederum gab an, daß er dem Verein nicht angehört habe. Schewtschenko selbst erklärte beim gerichtlichen Verhör, der Gesellschaft nicht beigetreten zu sein, ja von ihr gar nichts zu wissen. Während der Festungszeit gab es sogar Augenblicke, wo er bereute, sich dem Geheimbunde überhaupt genähert zu haben; in einigen Gedichten verflucht er nicht nur „seinen törichten Verstand“, sondern auch „diejenigen, die ihn gelehrt hatten, gottlose Verse zu schreiben“. Solche zufällige Ausbrüche von Verzweiflung waren doch nur vorübergehend. Wie dem auch sei, – es lag den russischen Behörden daran, den ukrainischen Dichter „unschädlich“ zu machen, hatte er sich doch bereits durch einige „rebellische“ Gedichte die Mißgunst der Nikolaischen Regierung zugezogen und höchsten Ortes Verdacht erregt. Nichts Böses


  1. Nykolaj Iwanowytsch Hulak – nicht zu verwechseln mit dem zeitgenössischen ukrainischen Dichter P. P. Hulak-Artemowskyj.