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II.
In der Verbannung.

In der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts war Kiew wieder ein Kulturherd geworden und das literarische Leben im Dnipróland gestaltete sich beinahe lebhafter als das in den russischen Zentren, wo der Druck des Nikolaischen Regiments sich fühlbarer machte. Im Jahre 1834 wurde in Kiew eine Universität als Ersatz für die geschlossene Universität von Wilna und für das aufgehobene Lyzeum zu Kremenetz gegründet. Bodjanskyj, der Professor an der Moskauer Universität, gab 1837 eine Magisterabhandlung „Über die Volkspoesie der slawischen Stämme“ mit Berücksichtigung der ukrainischen Volkslieder heraus und Kwitka (1834, 1837) begründete die ukrainische Novellistik.

Schon zu Beginn des XIX. Jahrhunderts hatte ein Hauch der modernen Reformbestrebungen durch die Ukraine geweht. Im Jahre 1818 entstand in Poltawa eine Freimaurerloge; im selben Jahre konstituierte sich eine „Gesellschaft der Vereinigten Slawen“ in Kiew, ein Geheimbund, welcher mit den revolutionären Dekabristen enge Beziehungen unterhielt und unter seine Mitglieder den Fürsten S. G. Wolkonskij, einen Bruder des Gouverneurs von Poltawa, zählte und Repnin, mit dessen Familie sich Schewtschenko befreundete. Das im Keim erstickte Werk der Dekabristen setzte jedoch der hervorragende Gelehrte Kostomarow weiter fort.

Der aus Woronesch gebürtige Nykolaj Iwanowytsch Kostomarow (1817–85) war der Sohn einer ukrainischen Mutter und er lernte dadurch die ukrainische Sprache und Natur frühzeitig kennen. Seine akademische Dissertation